17.06.2012 / Wort zum Tag

Jesaja 5,22-23

Weh denen, die dem Schuldigen Recht geben um Bestechung und dem Unschuldigen sein Recht absprechen!

Jesaja 5,22-23

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Eine Bekannte von mir hat ein kleines Bauunternehmen. „Es ist so hart heute über die Runden zu kommen“, erzählt sie mir. „Die Schwarzarbeit macht unseren Betrieb kaputt. Stell dir vor: jeden Morgen trifft sich eine Gruppe Arbeitsloser hier bei uns im Ort in der Kneipe. Da tauschen sie sich aus, welche Aufträge es gerade gibt und welche Facharbeiter es dafür braucht. Und dann legen sie los. Ich bin zum Arbeitsamt gegangen und wollte das melden und wurde zu einem Beamten geschickt. Aber wie ich durch die Glastür in sein Büro schaue, erkenne ich, dass genau er in der Kneipe ganz oft mit dabei ist. Was soll ich da denn noch machen? Wenn das so weitergeht, können wir unseren Betrieb bald dicht machen.“

Ich merke, wie eine Riesenwut in mir hochsteigt. Und ein Gefühl von Ohnmacht. Was soll man da noch machen? Wenn die, die Schwarzarbeit bekämpfen müssten, sich mit daran bereichern? Dass Unrecht in unserer Gesellschaft geschieht, ist schon schlimm. Aber wenn die Instanzen, die für Recht in unserer Gesellschaft sorgen müssten, sich bestechen lassen und sich mit dem Unrecht verbinden, dann wird aus einem Rechtsstaat ein Unrechtsstaat.

Neu ist das nicht. Dass Menschen in Machtpositionen sich bestechen lassen, gab es auch schon vor mehr als 2.000 Jahren. Der Prophet Jesaja spricht aus, was viele seiner Zeitgenossen vermutlich  nur hinter vorgehaltener Hand zu sagen wagten: Ihr Raffgierigen, die ihr immer mehr Besitz anhäuft, ihr Taugenichtse, die ihr euch von morgens bis abends in der Kneipe betrinkt, ihr Bestechlichen, die ihr dem Schuldigen Recht gebt, weil er euch bezahlt, und dem Unschuldigen sein Recht absprecht:  Gott wird über euch Gericht halten. Gott wird eure Feinde in dieses Land holen und ihr werdet alles verlieren.

Und – ist passiert, was Jesaja damals prophezeite? Aber sicher: ein paar Seiten weiter kann ich in der Bibel nachlesen, wie die Babylonier in das Land eingefallen sind und viele aus dem Volk Israel verschleppt haben. Was für mich wie eine kurze Zeitabfolge wirkt, war für die Menschen damals aber eine lange Zeitspanne – rund 100 Jahre, drei Generationen, lagen zwischen der Prophezeiung Jesajas und dem Einmarsch der Babylonier.

Ob die Menschen damals Jesaja geglaubt haben, als er vom Gericht Gottes sprach? Ob sie ihn ernst genommen haben? Ich glaube an ein Gericht Gottes. Ich trage es fest in meinem Herzen: für jedes Unrecht, das ein Mensch hier auf der Erde begeht, wird er sich einmal vor Gott verantworten müssen. Wir Menschen schaffen es oft genug nicht, Gerechtigkeit hier auf der Erde herzustellen. Aber bei Gott ist die Gerechtigkeit. Mir hilft das, mit meiner Wut und meiner Hilflosigkeit fertig zu werden. Ich kann meinen Zorn loslassen auf alles, was ich an Unrecht erlebe, und kann es an Gott abgeben. Bei ihm ist es gut aufgehoben und wird einmal zu Recht verwandelt werden.

Meine Bekannte hat nicht locker gelassen bei ihrem Kampf gegen die Schwarzarbeit. Und sie hat es geschafft: die Gruppe der Schwarzarbeiter in ihrem Ort gibt es nicht mehr. Mich lässt es aufatmen: Wir leben doch noch in einem Rechtsstaat, hier in der Bundesrepublik. Und als Christ weiß ich: Ich lebe in einem Rechtsstaat von noch ganz anderer Dimension: Bei Gott ist eine Gerechtigkeit, die über die Gerechtigkeit dieser Welt noch hinausgeht.

Autor/-in: Dorothee Döbler