27.02.2009 / Wort zum Tag

Jesaja 45,9

Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Schöpfer: Was machst du?

Jesaja 45,9

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Mit Interesse lese ich Zeitungsartikel über naturwissenschaftliche Forschungen am Gehirn des Menschen: Die Wissenschaftler möchten herausfinden, was sich im Gehirn tut, wenn wir bestimmte Gefühle haben, wenn wir uns freuen oder ekeln. Ich habe nun den Eindruck, diese Forscher lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Die einen kommen ins Staunen angesichts der Vielfalt. Sie staunen, wie nicht nur Leben auf dieser Erde entstand, sondern auch so etwas kompliziertes wie ein menschliches Gehirn! Trotz aller rasanten Entwicklung in der Computertechnik sind auch heute noch die Ingenieure weit davon entfernt, etwas zu bauen, das auch nur annähernd die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns hat. Roboter können mal das eine - vielleicht Sprache nachahmen - oder das andere - Bilder einordnen und dadurch Gegenstände erkennen. Roboter können rasend schnell rechnen - aber sie fangen gerade erst an, einen gesprochenen Satz zu verstehen.

Andere Forscher dagegen meinen, ständig Fehler zu finden. Dies oder jenes könnte doch besser sein! Warum ist der Mensch so störanfällig? Warum bekommt er Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Krebs? Wenn es einen Gott gäbe, meinen diese Menschen, dann hätte er doch seine Geschöpfe etwas stabiler, robuster gestalten können!

"Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Schöpfer: Was machst du?" So mahnt Jesaja. Warum, Gott, hast du uns so gemacht? Das fragen sich auch viele Menschen, die leiden. Warum ich? Warum schon wieder, wenn die Schicksalsschläge sich häufen. Warum kriegt die junge Frau Krebs, eine Mutter von vier kleinen Kindern? Warum stirbt ein 6-jähriger an einem Darmverschluss? Gott, warum hast du uns so gemacht? Warum müssen wir leiden und letztlich sterben?

Und es geht nicht nur um die Anfälligkeit für körperliche Krankheiten, sondern um die Krankheit der Seele, die in der Bibel Sünde genannt wird. Die viel Leid unter den Menschen mit sich bringt. Gott, warum hast du uns Menschen überhaupt so gemacht, dass wir sündigen können? Du hättest uns doch als perfekte Geschöpfe machen können, die Tag und Nacht nur dich loben und Gutes tun! Warum tun Menschen einander so viel Böses an, angefangen mit der Prügelei auf dem Schulhof, dem Spott gegenüber denen, die anders sind, bis hin zu Kriegen - Gott, warum hast du uns so gemacht? Darf ich so nicht fragen, nicht klagen? "Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Schüpfer: Was machst du?" mahnt Jesaja.

Sind aber nicht diese Fragen und Klagen ganz normal? Ja, ich denke, sie sind auch gestattet. Klagen über das Leid, über Krankheit wie Krieg und Verfolgung prägen viele Psalmen - ja, und Jesus selbst rief: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?", als er am Kreuz starb (Matthäus 27,46). Oder denken Sie an Hiob, der sogar den Tag seiner Geburt verfluchte (Hiob 3,3-19). Aber gerade Hiob musste auch seine Grenze erkennen: Dass er zwar klagen, heulen, sogar fluchen durfte - aber erkennen musste, dass Gott sein guter Schöpfer ist. Dass wir Menschen uns Gottes Größe und Weisheit gar nicht vorstellen können. So wenig wie der Ton auf der Töpferscheibe etwas vom Töpfern versteht, begreifen wir von Gottes Plan! Trotz aller Forschung des 21. Jahrhunderts. Gott wäre nicht Gott, wenn wir ihn je begreifen könnten.

Ja, und warum hat er uns nun so unvollkommen geschaffen? Das einzige, was ich dazu sagen kann, ist dies: Gott wollte uns Freiheit schenken. Freiheit, damit wir keine Marionetten sind, sondern selbst Verantwortung übernehmen. Unabhängig von allem, was die Forscher herausfinden, was Gene und was Umwelt und Erziehung bestimmen: Vor Gott bin ich verantwortlich für alles, was ich tue. Das ist es, was Jesaja meint: Ich kann die Verantwortung für meine Sünden nicht auf Gott abschieben! Ich darf zwar Gott mein Leid klagen, aber ich kann ihn nicht anklagen. Ich darf vielmehr darauf vertrauen: Gott hat mich geschaffen und liebt mich; er trägt mich auch durch die schwere Zeit durch.
Autor/-in: Pfarrerin Marion Sieker-Greb