19.09.2014 / Wort zum Tag

Jesaja 35,5

"Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden."

Jesaja 35,5

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Ja, schön wäre das! Endlich gehen die Augen der Blinden auf. Solche, die im Dunkel lebten und vorsichtig umhertasten mussten, nehmen plötzlich Farben wahr, rot und blau und grün. Sie sehen Astern und Orchideen. Sie entdecken die Menschen um sich herum. Eine neue Welt tut sich ihnen auf. Jeder Blick wird kostbar. Jeder Schritt erobert Neuland. Unglaublich.

Ähnlich und doch ganz anders wird es denen ergehen, die heute noch taub sind. Die bedrückende Stille, in der sie leben, kann ich mir kaum vorstellen. Das wird für sie einmal schlagartig anders werden. Ihr Leben bekommt Töne: laute und zarte, kreischende und leise. Hundegebell und Vogelgezwitscher, Geigentöne und Orgelmusik offenbaren eine neue Welt. Wunderbar. Hören können – ein Geschenk!

„Wann wird das sein?“, fragen manche neugierig, „je eher es dazu kommt, desto besser!“ „Das ist göttliche Zukunftsmusik“, antwortet uns der Prophet Jesaja. Er verweist uns auf den Tag, an dem Gott einmal einen neuen Himmel und eine neue Erde heraufführen wird. So bekommen wir es auch im letzten Buch der Bibel gesagt.  

Heute noch müssen blinde und taube Menschen mit eingeschränkten Sinnen leben. Ihre Welt ist begrenzt. Und die Welt vieler anderer auch: Manche quälen sich mit dauerhaften Behinderungen ab. Andere leiden unter chronischen Krankheiten. Bei ihnen liegt die Lebensqualität am Boden. Und nicht immer können die modernen medizinischen Errungenschaften lindern oder gar heilen. So schmerzlich das klingt: Wir leben „jenseits von Eden“ in einer defekten Welt. Und daran können wir so gut wie nichts ändern. Wir vermögen den Betroffenen auch nicht einleuchtend darzulegen, warum gerade sie leiden und eingegrenzt leben müssen. Unser Glaube ist kein Allerklärungsmittel.

Das wird so bleiben, bis Gott eines Tages unter dieser Welt einen Schluss-Strich ziehen wird. Was der Prophet Jesaja ankündigt, bekennen Christen in ihren Gottesdiensten: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“.
 
Und bis dahin? Finden wir uns damit ab, dass Menschen leiden? Vertrösten wir sie auf den Himmel? Nein, das tun wir nicht. Vielmehr wird das, was Gott einmal umfassend tun wird, zum Maß für unser Handeln heute. Dabei gehen Liebe und Kreativität Hand in Hand. Weil Gott einmal die Augen der Blinden öffnen wird, wollen wir als Christen das medizinisch Mögliche tun, um heute schon blinden Menschen zu helfen, ihr Augenleiden womöglich zu heilen oder zumindest ihr Los so zu verbessern, dass sie damit im Alltag einigermaßen zurechtkommen. Es ist beeindruckend, wie vielen blinden Menschen heute weltweit geholfen werden kann – auch durch den Dienst der Christen.

Und weil Gott einmal die Ohren der Tauben öffnen wird, macht uns das erfinderisch, heute auch das Leben derer zu erleichtern, deren Gehör geschädigt ist und die nur begrenzt am Zusammenleben teilnehmen können. Auch hier wird medizinisch viel unternommen, was sich für die Betroffenen segensreich auswirkt.

Zur Hilfe rechne ich auch das Gebet für die Betroffenen, das in unseren Gemeinden geübt wird, sowohl in den Gottesdiensten als auch im privaten Raum.

Auf jeden Fall versetzt uns das Wissen um Gottes großen Tag nicht in Wartestellung, sondern macht uns munter, das Unsere einzubringen, so unvollkommen es oft auch sein mag. Besser wenig als nichts. Und vor allem rechnen wir mit dem „neuen Himmel“ und der „neuen Erde“, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Dann wird alle Not ein Ende haben. Bis es so weit ist, lasst uns denen unter die Arme greifen, die am Leben leiden.

Autor/-in: Präses i. R. Dr. Christoph Morgner