28.04.2012 / Wort zum Tag

Jesaja 35,4

Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.«

Jesaja 35,4

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Ich weiß nicht, wie die Menschen in Juda sich damals gefühlt haben, die als erste diese Verheißung des Propheten hörten. Sie mussten als gesellschaftliche Außenseiter ihr Dasein fristen. In einem kargen, regenarmen Land kämpften sie tagein, tagaus um die nackte Existenz. Mir geht es in dieser Hinsicht viel besser, aber manchmal bin ich auch verzagt. Manchmal sehe ich gar nicht weiter so wie die Juden damals. Hin und wieder könnte ich verzweifeln, allein schon an mir selbst. In solchen Augenblicken sieht die Zukunft ganz trostlos aus.

Der Prophet weiß, was es für Menschen bedeutet, nicht mehr zu wissen, wie es weitergeht. Und dieser Mann wagt es zu sagen: „Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie.  Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! … Und es wird dort eine Bahn sein, die der heilige Weg heißen wird“ (Jes 35,3-4a+8a). Mit anderen Worten: Gott zeigt uns einen Weg, wo wir keinen mehr sehen.

Genau das hat Hedwig von Redern am Anfang des vorigen Jahrhunderts erfahren. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters und dem Verlust der Heimat waren ihre Zukunfts-pläne vernichtet. Aber dann spürte sie die Hilfe Gottes und dichtete ein Lied, das meistens nur auf Beerdigungen gesungen wird, aber mitten ins Leben gehört:

„Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl.
Das macht die Seele still und friedevoll.
Ist’s doch umsonst, dass ich mich sorgend müh,
dass ängstlich schlägt das Herz, sei’s spät, sei’s früh.“

Dieses Lied, das dann in der Aussage gipfelt:
„Du weißt, woher der Wind so stürmisch weht,
und du gebietest ihm, kommst nie zu spät;
drum wart ich still, dein Wort ist ohne Trug.
Du weißt den Weg für mich, das ist genug.“

So hat es auch der Prophet gesagt. Gott sieht weiter. Gottes Weg führt weiter. Er sieht schon längst das Ziel.

Nun können Sie fragen, wenn Sie kritisch sind: Woher weiß ich, dass der Prophet die Wahrheit sagt? Vielleicht hat er das falsch verstanden? Vielleicht sagt er nur seine eigene Meinung? Aber klingt der von dem Propheten gezeigte Weg wirklich so unglaublich? Was spricht dagegen, dass er Recht hat? Die Wirklichkeit? Das, was ich jetzt vorfinde?

Wenn Sie einem Sklaven zur Zeit des römischen Kaisers Nero gesagt hätten, es würde eines Tages die Staatsform der Demokratie geben – er hätte Sie wahrscheinlich ausgelacht.

Der Schweizer Pfarrer und Lyriker Kurt Marti hat gesagt: „Wo kämen wir hin, wenn alle sagten: Wo kämen wir hin? Und niemand ginge, um einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge?“
Verstehen Sie? Ich muss fragen: Ist nur das in meinem Leben möglich, was ich mir vorstellen kann? Wenn ich so frage, dann kann ich erkennen, es kommt nicht darauf an, was ich für möglich halte, sondern es kommt darauf an, dass ich entdecke, was möglich ist. Darauf antwortet der Prophet: Gott gibt dir einen Weg unter die Füße, wo du keinen mehr siehst.
 

Autor/-in: Pastor Udo Vach