26.11.2010 / Wort zum Tag

Jesaja 30,15

Durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein.

Jesaja 30,15

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Ich muss gestehen, dass dieses Bibelwort nicht zu meinen Lieblingsversen zählt. Denn es richtet sich gegen all die Macher im Reiche Gottes, von denen es ach so viele gibt, und zu denen ich mich leider auch zähle; denn sie meinen, das Reich Gottes mit vielen Aktionen regelrecht herbeizwingen zu können. Die Macher im Reiche Gottes sind in der Christenheit auch sehr beliebt, weil sie ja auch tatsächlich etwas bewirken und bewegen. Auch ist ihre Hingabe an Jesus oft vorbildlich. Sie opfern sich auf und setzen alle ihre Kräfte des Leibes und der Seele ein, auf etliche Weise Menschen für Jesus zu gewinnen.

Aber sind sie es wirklich, die das Reich Gottes bauen und das Kommen des Reiches Gottes zu uns beschleunigen? Ich habe mich das so oft gefragt und frage mich das auch jetzt: Ist es wirklich der Heilige Geist, der mich treibt? Oder treiben mich auch Geltungssucht, Ehre und Ansehen bei den Christen, Sehnsucht nach Anerkennung und Bestätigung, eine Gier nach dem Beifall von Menschen?

Dabei wusste ich doch in allen Phasen der Gemeindearbeit, die ich als Pfarrer verantwortete, dass die Beter in der Stille es waren, die maßgeblich das Reich Gottes bauten. Denn ich habe nie einen Zweifel daran gehabt, dass die vielen Stillen in der Gemeinde es waren, die in der Kraft des Geistes eigentlich die Gemeinde bauten. Es gab so viele Gebetskreise; und die Beter und Beterinnen wussten, dass die Kraft des Geistes aus der Stille kam, und sie gaben uns immer wieder neue Hoffnungen, dass Gott sein Reich, seine Kirche unter uns baut. Denn Gott baut seine Gemeinde in der Stille, jenseits aller Machbarkeit und Betriebsamkeit und Hektik.

Der Dichter Wilhelm Raabe fasst das Geheimnis in die Worte:
Das Ewige ist stille,
Laut die Vergänglichkeit.
Schweigend geht Gottes Wille
Über den Erdenstreit.

Denn in der Stille spüren wir den Atem der Ewigkeit und entwickeln ein Gehör und ein Gespür für Gottes Stimme.

Jesus selbst ist für mich ein großes Vorbild; denn immer wieder zog er sich nach vollbrachten Taten, nach einem großen Andrang der Menschenmassen, in die Stille zurück, auf den Berg oder in den Garten, weit entfernt von den Massen der Menschen. Dort tat ihm Gott in der Stille die Quelle der Kraft auf. Denn für Jesus war das Sprechen mit seinem Vater oft wichtiger als das Reden zu den Menschen. Warum redete Jesus denn gewaltiger als die Pharisäer und Schriftgelehrten? Weil er zuvor mit dem Vater geredet hatte, weil er aus der Stille kam. Psalm 62 schildert diese Erfahrung: „Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft“.

Für mich sind viele Lieder Paul Gerhardts, des leidgeprüften Dichters und Predigers, eine Hilfe zur Stille. Bei ihm finde ich die Übung des „inneren Gartens“. Der Glaube, die Seele, gestaltet sich einen Garten, in den sie sich zurückziehen kann. Dort, in der Stille des inneren Gartens, erfährt er Gott, kann er Grausames und Leidvolles vergessen und erfahren, wie sich sein innerer Garten hin öffnet zum himmlischen Garten Gottes. Viele seiner Lieder spiegeln dies wider:“ Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot…“. In der Stille finden wir Trost, Kraft und Stärke, auch die Kraft, das Leid zu tragen, das Gott uns schickt.

Als der Prophet Jesaia diesen Satz zum Volk Israel sagte, da war es massiv durch das babylonische Großreich bedroht. Jetzt schmiedeten der König und seine Minister hektisch Pläne, wie man den Babyloniern entgehen konnte. Es herrschte eine aufgeregte und politisch wankelmütige Atmosphäre. Man kam auf die Idee, sich bei den Ägyptern Hilfe zu holen. In diese Situation hinein spricht Jesaia diesen Satz: „Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein“.

Autor/-in: Pfarrer i. R. Bernd Schlottoff