19.09.2011 / Wort zum Tag

Jeremia 25,5

Bekehret euch, ein jeder von seinem bösen Wege und von euren bösen Werken.

Jeremia 25,5

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Manche Erlebnisse aus der Kindheit vergisst man nicht. Ich muss etwa 10 Jahre alt gewesen sein, als ich meine Patentante ganz allein besuchen durfte. Mit dem Schiff machten wir einen Tagesausflug nach Dänemark. Vor der Rückfahrt wollte sie noch etwas besorgen und sagte: „Geh schon mal voraus zum Schiff, ich komme gleich hinterher. Du weißt ja, wo der Hafen ist, nur ein paar Straßen von hier.“ Wie es kommen musste, ich verlief mich. Voller Panik rannte ich von einer Ecke zur anderen und verirrte mich nur noch mehr. Als ich da so ganz hilflos stand und mir die Tränen runterliefen, kam ein großer Mann mit Gummistiefeln vorbei und versuchte den Grund meiner Verzweiflung herauszufinden. Ich konnte kein Dänisch, aber er verstand worum es ging, nahm mich an der Hand und rannte mit mir im Laufschritt zum Hafen. Meine Tante stand schon oben an der Reling und wartete ungeduldig. Ich weiß nicht mehr, ob ich mich bei meinem Retter bedankt habe – jedenfalls kann ich die Erleichterung noch ein wenig spüren, nicht verloren im fremden Land bleiben zu müssen. Ich hatte mich verlaufen und jemand hatte mich zurückgebracht. Ein eindrückliches Erlebnis für einen Knirps.

„Umkehr von Irrwegen“ ist auch das Thema von Jeremia. Aber der Prophet hat keine Kinder vor sich, die sich verirrt haben, sondern Menschen seines Volkes, die er seit 23 Jahren mahnt, die eingeschlagenen falschen Wege zu verlassen und sich von Bosheit und Unrecht abzukehren. Da fragt man sich: Kommt nicht irgendwann der Punkt, an dem auch ein Prophet, sozusagen der „Mund Gottes“, seine ungehörten Mahnrufe einstellt? Meine Mutter pflegte zu sagen: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Sie ahnen, was dann kam. Warum wendet sich Gott nicht auch ab und überlässt uns Menschen uns selbst und unseren falschen Entscheidungen, an denen wir festhalten? Warum lässt er uns nicht in die Irre laufen, wenn wir es denn unbedingt wollen? Warum schickt er seine Leute immer und immer wieder mit der gleichen Botschaft, auch wenn sich kaum jemand zur Umkehr bewegen lässt? Ist Gottes Geduld nicht irgendwann mal doch am Ende und wir müssen auslöffeln, was wir uns eingebrockt haben? Ja – das ist wirklich so. Auch Israel hat er erleben müssen. In den langen Jahren der Verbannung in Babylon hatten sie genug Zeit, um darüber nachzudenken. Als sie weinend an den Wassern Babels saßen, konnten sie fühlen, wie es ist, wenn man nicht auf Gott hört (Psalm 137). Jeremias Worte haben ihre Aktualität behalten, auch nach über 2500 Jahren: Kehrt um, wendet euch ab von euren Wegen, von denen ihr genau wisst, dass sie falsch sind. Bleibt nicht wo ihr seid.

Oft wissen wir Menschen sehr genau, wo wir umkehren und was wir loslassen müssen. Manches Falsche kann man sogar lieb gewinnen und spürt doch im Herzen mit großer Klarheit, dass das Liebgewonnene in Gottes Augen Sünde ist. Wer nicht hören will, muss dann die Konsequenzen tragen und sie auch schmerzhaft „fühlen“. Aber der Vers der Tageslese geht noch ja noch weiter. Es heißt dort, Gott wird sein Volk segnen und ihnen das Land der Väter für alle Zeit als Besitz bewahren, wenn sie sich zur Umkehr verleiten lassen. „Verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Umkehr leitet?“, schreibt Paulus im Römerbrief. Gott meint es mit uns gut – darum ruft er uns zur Buße. Und weil Jesus für unsere Schuld am Kreuz bezahlt hat, ist Vergebung für jeden falschen Weg, für jede böse Tat möglich. Wer sich verlaufen hat, bekommt die Chance, wieder nach Hause zu kommen. Der Vater wartet mit offenen Armen. Wer hören will, darf dann auch fühlen, wie es ist, wenn die Lasten abfallen und das Leben mit Jesus wieder festlich und schön wird. Der mittelalterliche Theologe Thomas von Kempen (1379-1471) betete: „Rede zu uns Herr, wir möchten hören. Lass nicht zu, dass wir es hören, aber nicht tun, dass wir es kennen, aber nicht lieben, dass wir es glauben, ihm aber nicht gehorchen. Darum rede, Herr. Du hast Worte ewigen Lebens.“
 

Autor/-in: Pastor Johannes Helmer