26.02.2012 / Wort zum Tag

Jeremia 24,6

Ich will sie gnädig ansehen und will sie bauen und nicht verderben, ich will sie pflanden und nicht ausreißen.

Jeremia 24,6

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Ein reicher Scheich bezieht eine Luxussuite in einem New Yorker Nobelhotel. Auf seinem Tisch findet er eine Schüssel mit Feigen. Er freut sich über die Erfrischung nach der langen Reise und greift nach einer Feige. Als er sie mit Wonne betrachtet, sieht er die Made mitten in der Frucht. Angewidert legt er sie zur Seite. Er greift zur nächsten Feige. Aber auch hier stößt er auf eine Made. Mit einem Seufzer wirft er sie in den Abfall. Nun löscht er das Licht. Erst jetzt kann er die Feigen ungestört genießen.

Etwas davon erlebt auch Jeremia. Im Wort für diesen Tag sieht er in einer Vision zwei Körbe mit Feigen. Um die Deutung dieses Bildes zu verstehen, hier vorerst der äußere Zusammenhang. Nebukadnezar hat Jerusalem erobert und die Oberschicht der Juden nach Babel deportiert. Das ist ein harter Schlag für die Stadt, noch härter aber ist dies für die Deportierten. Gebunden müssen sie den weiten Weg in die Fremde zurücklegen. Hitze, Kälte und Hunger sind ihre Begleiter. Eine ungewisse Zukunft liegt vor ihnen. Was ihnen lieb und wert war, mussten sie zurücklassen. Dazu gehört vor allem der Tempel. Wie haben die in Jerusalem Verbliebenen ihre armen Volksgenossen bedauert!

Ganz anders erscheinen die Vertriebenen in der Vision, die Jeremia schaut. Denn Gott sagt dazu: „Wie auf diese guten Feigen, so will ich auf die Weggeführten aus Juda blicken, die ich von dieser Stätte habe fortziehen lassen ins Land der Chaldäer. Ich will sie gnädig ansehen und sie wieder in dies Land bringen.“ Und nun kommt das Wort zum Tag: „Ich will sie bauen und nicht verderben, ich will sie pflanzen und nicht ausreißen. Und ich will ihnen ein Herz geben, dass sie mich erkennen sollen, dass ich der HERR bin. Und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein; von ganzem Herzen werden sie sich zu mir bekehren.“

Was sagt uns das? Manchmal bedauern wir Menschen, die ein schweres Schicksal erleiden. Wie oft höre ich im Gottesdienst das Gebet: „Wir danken dir, dass wir uns hier in aller Freiheit und ohne Angst versammeln dürfen.“ Mich beschleicht dabei manchmal ein unangenehmes Gefühl. Das Grüpplein, das so betet, ist überschaubar klein. In der im Gebet erwähnten freien Versammlung sind noch viele Plätze frei! Wer ist hier eigentlich frei und wer gefangen? Wer ist arm dran? Sind es jene, die durch Prüfungen und Leid gehen? Oder jene, die davon verschont bleiben?

Damals waren die Verbannten in den Augen Gottes wie genießbare Feigen. Aber die in der Heimat Verbliebenen waren faul und von Maden durchsetzt. Sie waren ungenießbar geworden. Gott macht ja nicht das Licht aus oder die Augen zu. Christen in der Verfolgung berichten oft von einem blühenden geistlichen Leben. Als Christen in Butan gefragt wurden, wie sie mit der Verfolgung fertig würden, schauten sie den Fragenden verwundert an. Für sie gehörte die Verfolgung ganz natürlich zum Leben mit dem Gekreuzigten. Und sie erzählten, wie durch die Brüder im Gefängnis andere Gefangene Jesus gefunden hätten. Als die Revolution über China hereinbrach, wurden alle Missionare des Landes verwiesen. Die Gemeinde kam unter Druck, ihre Leiter wurden in Arbeits- und Umerziehungslager gesteckt. Als China Jahrzehnte später wieder besucht werden konnte, rieben sich die Besucher die Augen: die christliche Gemeinde war unter der Verfolgung um ein vielfaches gewachsen! Sie war echter geworden und überzeugte mehr als zuvor auch kritische Menschen. Wenn auch Sie durch schwere Prüfungen gehen und unverständliche Wege beschreiten müssen, wünsche ich Ihnen, dass Gott Sie gerade darin wachsen und reifen lässt.
 

Autor/-in: Ernst-Gerhard Fitsch