04.02.2013 / Wort zum Tag

Jeremia 16,19

"HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!"

Jeremia 16,19

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 „Alles wird gut!“ Nur zu oft hört man diese ebenso dumme wie oberflächliche Bemerkung. Natürlich: Eine Portion Optimismus gehört für unser Leben dazu. Aber es ist ja keineswegs einfach so, dass wir mit positivem Denken und positiver Einstellung alle Klippen im Leben meistern. Und wer nicht mit Scheuklappen und völlig abgestumpft durch die Welt geht weiß: Es wird durchaus nicht immer „alles gut“. Auch glaubende Menschen sind nicht davor gefeit, Widerwärtigkeiten zu erfahren – im eigenen Leben und im Bekanntenkreis. Wer anderes sagt, hat nicht verstanden, wie umfassend die biblische Botschaft die Lebenswirklichkeit zeichnet. Wir begegnen heute einem Menschen aus der Bibel, von dem wir kaum erwarten können, dass er dieses „Alles wird gut“ unterschreiben würde: Jeremia.

Wie kein anderer zeigt Jeremia, dass das Leben im Glauben und Vertrauen auf Gott nicht einfach mit einem Spaziergang „auf sonnigen Höhen“ verglichen werden kann. Bis an den Rande des Selbstmords wird er geführt, obwohl er von Gott zum Propheten berufen wurde – oder müssen wir sagen, weil er zum Propheten berufen wurde? Immerhin wird ihm verwehrt, was wohl die meisten als wichtige Zutat für ein gelungenes Leben benennen würden: Familie, Freundeskreis, Erfolg im Beruf. Im Gegenteil: Weil er Prophet ist, darf er nicht heiraten. Weil er Prophet ist, darf er die Höhen und Tiefen der Menschen in seiner Umgebung nicht miterleben: Weder in ein Trauerhaus noch zu einer Festveranstaltung darf er gehen! Und seine prophetische Botschaft? Keiner kümmert sich um sie. Seine Warnungen, vor den Babyloniern nach Ägypten zu fliehen, werden in den Wind geschlagen. Ja, sogar noch mehr: Er wird gegen seinen ausdrücklichen Willen gezwungen, mit dorthin auszuwandern! Was bleibt da noch? Ein „Alles wird gut“ muss einem jedenfalls im Halse stecken bleiben!

Und wenn ein überaus schlauer Mensch einwendet: „Ja, es geht ihm um sein Volk, dessen Teil er ist, und nicht um sein ganz privates Schicksal!“, dann ist auch hier keine Erfolgsbilanz zu ziehen. Im Jeremia-Buch wird von der Schuld und den Abscheulichkeiten gesprochen, die in diesem Volk, das sich Volk Gottes nennt, begangen werden. Wie die geübten Fischer ihre Fanggründe abfischen und die gewandten Jäger die letzten Schlupfwinkel des Wildes kennen, so wird Gott sich über die Mitglieder seines – und Jeremias – Volk hermachen! „Alles wird gut“ – Weit gefehlt!

In einer Übersetzung fand ich den Bibeltext, der unserer Besinnung zugrunde liegt, wie eine seufzende Bitte formuliert: „O Herr, du meine Stärke, mein Hort, meine Zuflucht am Tage der Not!“ Hier kommt beides zum Tragen: Der Schrei nach Hilfe – und der Strahl einer letzten Hoffnung. In ganz ähnlichen Worten wird auch in einigen Psalmen gebetet. Dort steht dieser Ausruf jedoch jeweils am Ende einer durchstandenen Probe – und ist somit eine Antwort auf ein Eingreifen Gottes. Bei Jeremia ist es anderes. Er wagt es, von Gott und seiner Zuflucht zu reden – nicht erst, nachdem alles gut überstanden ist, nachdem alles noch einmal gut gegangen ist, sondern mitten drin in den Tagen der Not – und ohne zu wissen, ob sie in einer Weise ein Ende nimmt, wie er sich das wünscht.

Jeremia muss es aushalten, die vordergründige und schnelle Hilfe versagt zu bekommen – und dennoch daran festzuhalten, dass da ein Gott – sein Gott, ist, der Stärke, Kraft und Zuflucht ist!