01.09.2013 / Wort zum Tag

Jeremia 12,3

Du, o HERR, kennst mich, du prüfst, wie mein Herz zu dir steht.

Jeremia 12,3

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Darf ein gläubiger Mensch eigentlich seinen Feinden den Tod wünschen? Darf er Gott bitten, sie zu strafen? Obwohl er doch selbst ein Sünder ist? Ich bin es gewohnt, dass die Bibel von der Liebe redet. Dass sie Versöhnung stiftet und zum Frieden auffordert. Das ist und bleibt ihre entscheidende Botschaft.


Aber diese Botschaft trifft auf eine friedelose Welt. Menschliches Miteinander ist voller Feindseligkeit und Unrecht. Mein Eindruck: Anstand und Fairness zahlen sich nicht aus. Der Ehrliche ist immer der Dumme. Am besten geht es denen, die nur an sich denken und keine Rücksicht kennen.


So erlebt es auch der Prophet Jeremia. Immer wieder prangert er den gottlosen Lebensstil der Menschen seiner Zeit an. Immer wieder erinnert er daran, wie Gott sich unser Leben vorstellt. Er stößt auf taube Ohren. Ja, er wird dafür angegriffen und verachtet, sogar geschlagen und eingesperrt. Und das von Leuten, die fromm daherreden – und in ihrem Herzen doch gottlos sind.


Aber das Schlimmste ist: Denen geht es gut. Sie leben in Sicherheit und Wohlstand. Warum sollten sie sich unbequeme Fragen stellen? Sie werden ja jeden Tag darin bestätigt, dass sie alles richtig machen!
Da bricht der Zorn aus Jeremia heraus. Er fordert Gott auf, sie mit dem Tod zu bestrafen. Er ist sich dabei wohl bewusst, dass auch er sich Gottes Urteil stellen muss, wenn es in der Tageslosung heißt: „Du, o Herr, kennst mich. Du prüfst, wie mein Herz zu dir steht.“ Er will Gott wirklich und von ganzem Herzen folgen. Aber dass das immer wieder so vergeblich scheint, das geht über seine Kraft.


Gott mutet seinen Leuten manchmal sehr viel zu. Da ist nicht immer alles zu verstehen. Da sehen wir nichts mehr von Gottes Güte und seiner Gerechtigkeit. Da ist uns nicht mehr nach Lob zumute, sondern nur noch danach, zu klagen – und anzuklagen.


Gott hat Jeremia einen Weg geführt, auf dem ihm nichts erspart blieb. Niemand kann so einen Weg fröhlich gehen. Deshalb muss auch niemand auf so einem Weg seine Trauer und seine Verzweiflung verbergen. Jeremia durfte ehrlich damit umgehen. Er durfte seine Klagen und Anklagen Gott gegenüber herausschreien. Und Gott hat sich alles angehört. Er wusste sie ja sowieso: „Du, o Herr, kennst mich. Du prüfst, wie mein Herz zu dir steht.“


Darf ein Mensch, der Gott vertraut,  seinen Feinden den Tod wünschen? In Zeiten der Verzweiflung frage ich nicht danach, ob ich zornige Dinge sagen darf. Sie brechen einfach aus mir heraus. - Jesus lebt mir eine schrankenlose Liebe vor. Aber er weiß auch, dass ich dazu nicht immer fähig bin. Er versteht mich auch dann, wenn ich ihn nicht verstehe. In seiner Güte ist auch mein Zorn und meine Verzweiflung aufgehoben.
 

Autor/-in: Martin Leupold