22.10.2018 / Wort zum Tag

Jeder für sich

So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.

1. Petrus 5,6

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Im 1. Petrusbrief werden Christen aufgefordert: „So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.“

In unserer augenblicklichen „Jeder für sich Gesellschaft“ hat das Wort Demut keinen Platz mehr. Die Demut kommt in unserer Sprache und in unseren Lebenshaltungen so gut wie nicht mehr vor. Das menschliche Miteinander hat mehr mit Durchsetzungsvermögen, Ellenbogenmentalität und Selbstbehauptung zu tun. Sehen und gesehen werden. Hier ein Selfie, da ein Selfie. Du musst dich sichtbar machen. Wer nicht auffällt, den gibt es nicht. Es ist nicht egal, in welchem T-Shirt eine Schülerin oder ein Schüler auf dem Schulhof aufläuft. Oder welches Haargel Menschen benutzen. Stell dich ins Internet. Zeig was du hast, was du kannst, wer du bist. 1500 Freunde auf facebook, aber keine Menschen, mit dem du reden kannst? Selbstinszenierung treibt jüngere und ältere Menschen, in eine „Jeder für sich Gesellschaft“. Dazu sagt der Philosoph Jürgen Werner: „Menschen sind in einer Steigerungsrhythmik gefangen.“ Das führt dazu, dass Menschen sich selber überfordern.

Demut ist die Erinnerung daran, dass es dem Menschen nicht gut tut, wenn er sich selber überfordert. Ich kann nicht dauernd gut, schneller, größer, höher, schöner, reicher, cooler sein. Hochmut heißt: Ich mache mich größer, als ich bin. Demut ist eine Frage nach den inneren und äußeren Grenzen meines Lebens. Wer bin ich wirklich? Was kann ich und was kann ich nicht? Beziehungsweise: Was kann ich nicht mehr? Demut, das heißt respektvoll und rücksichtsvoll mit dem umzugehen, was ich bekommen habe und jetzt bin.

Denn – die entscheidenden Dinge unseres Lebens haben wir gar nicht selber hergestellt, sondern wir haben sie geschenkt bekommen. Diesen blauen Planeten z. B., die Erde. Sauerstoff, Wasser, der Lebensraum, in dem wir leben. Alles geschenkt. Demut ist die Haltung des Menschen Gott gegenüber, der diesen Lebensraum schenkt. Demut ist das Bewusstsein, das Gott diese großartigen Gaben uns fehlerhaften Menschen anvertraut.

Petrus – der Heißsporn, rasch reagierender Draufgänger, er meint es wirklich ernst und spuckt nicht nur große Töne. Er schreibt im fortgeschrittenen Alter einen Brief an junge Christengemeinden im Gebiet der heutigen Türkei. Sie waren Fremde in den damaligen Gesellschaften. Diskriminiert. Den ersten Verfolgungen und Ausweisungen ausgesetzt. Wie sollten sie jetzt als Christen leben? Die Antwort des Petrus: Unterstellt euch in Demut unter die mächtige Hand Gottes.

Demut macht Mut.

Demütige Menschen sind hoffnungsvolle Menschen. Sie sind nicht unbedingt die Aufreißer aus der ersten Reihe. Aber sie können die Ruhe im Sturm eines Menschenlebens oder auch einer Gemeinde werden. In einer „Jeder für sich Gesellschaft“ haben sie einen Blick für Zweifelnde, Gescheiterte, für Fremde und Heimatsuchende. Sie haben sich untergestellt unter die mächtige Hand Gottes. Die Demut eröffnet einen anderen Blickwinkel als den, der auf das eigene Ego starrt.

Alt werden ist nichts für Feiglinge, aber für Demütige, denn sie akzeptieren die Erbarmungswürdigkeit des Menschen. Demut und Barmherzigkeit sind ein Paar und damit unsere Chance.

Autor/-in: Manfred Bletgen