11.07.2011 / Wort zum Tag

Jakobus 4,10

Demütigt euch vor dem Herrn, so wird er euch erhöhen.

Jakobus 4,10

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Der Priester Klemens Maria Hofbauer lebt im 18. Jahrhundert in Wien. Sein Herz schlägt für bedürftige Menschen in dieser großen Stadt. Für sie tut er alles, was ihm möglich ist. So bettelt er eines Abends in einer Kneipe um Geld, damit er wieder helfen kann. Tisch für Tisch spricht er mit den Gästen, hält ihnen den Hut hin und bittet um eine Gabe für seine Schützlinge. Von den einen bekommt er Scheine, die anderen geben Münzen. Klemens Hofbauer freut sich über beides, dankt und geht weiter.

Am nächsten Tisch gerät er an einen Gast, der alles hasst, was mit Kirche zu tun hat. Kaum hat er seine Bitte ausgesprochen, erhebt der sich und stellt sich breitbeinig vor Hofbauer auf: „Wie kommen Sie dazu, mich um Geld zu bitten?“, schreit er ihn an. Und noch bevor der Priester antworten kann, spuckt ihm der Gast mitten ins Gesicht. Klemens Hofbauer zieht seelenruhig sein Taschentuch aus der Hosentasche, wischt sein Gesicht sauber und wendet sich freundlich dem Gast zu: „Das war für mich − aber nun geben Sie mir doch bitte noch etwas für die Armen!“ Dabei hält er ihm erneut den Hut hin. Der Gast ist so perplex, dass er dem Priester nicht nur eine Münze gibt, sondern den gesamten Inhalt seiner Geldbörse in den Hut schüttet.

Als ich diese Geschichte über Klemens Hofbauer höre, bin ich erst einmal aufgebracht. So etwas darf man sich doch nicht gefallen lassen. Das ist unverschämt - und auch eklig! Dem hätte ich es aber gezeigt. Doch der Bibelabschnitt im Jakobusbrief, aus dem der heutige Lehrtext entnommen ist, zeigt mir eine andere Richtung:
„Demütigt euch vor dem Herrn, so wird er euch erhöhen.“ Jakobus schreibt seinen Brief an unterschiedliche Gemeinden in Israel. Er mahnt die Christen, sich Gott unterzuordnen. Ein gutes Miteinander geschieht nicht von selbst. Ihr müsst auf das achten, was Gott will. Seid füreinander und für andere da und habt euch lieb. Wenn Jakobus die Christen auffordert: „Demütigt euch!“ meint er damit: Seht euch nicht im Mittelpunkt. Gebt einander Wertschätzung. Zankt euch nicht um unnützes Zeug. Vor allem aber schaut auf Jesus. Er hat euch gezeigt, wie demütiges Handeln aussieht. Wenn ihr das schafft, dann werdet ihr euch wundern. Da passieren Dinge, die ihr nicht erwartet und ihr kommt auf keinen Fall zu kurz.

Na, wenn das so ist ... Das hätte ich auch gerne. Mich nicht provozieren lassen. Im anderen Gutes sehen und ihm den Vorrang geben. Aber kaum gebe ich mir Mühe, da geht’s schon los: Der Blödmann da vorn schnappt mir doch tatsächlich den Parkplatz vor der Nase weg. Nachbars Hund macht immer sein Geschäft vor unserem Haus.
Und meine Kollegin? Muss sie wirklich schon wieder krank feiern? Immer dasselbe ... Da würde ich doch am liebsten ... „Nein, das sollst du nicht“, höre ich Jakobus sagen. „Demütige dich lieber vor Gott, du bist doch auch nicht besser.“ Klar, dass ich mir nicht alles gefallen lassen muss. Aber stimmt es wirklich, was ich denke?  War „der Blödmann“ von vorhin nicht vielleicht doch drei Sekunden eher auf meinem Parkplatz? Erledigt Nachbars Hund tatsächlich „immer“ sein Geschäft vor unserem Haus? Und hat meine Kollegin vielleicht eine Krankheit, über die sie nicht spricht, an der sie schwer zu schleppen hat? „Demütigt euch!“ sagt Jakobus. Schau hin, worüber du urteilst! Du bist nicht immer im Recht. Sei geduldig, Gott ist es auch. Segne den, über den du dich ärgerst. Wünsche ihm Gutes. Dann wird Gott dich beschenken und du wirst staunen. Vielleicht nicht über ein ausgeschüttetes Portemonnaie, aber über einen Menschen, der sich für Jesus öffnet.

Autor/-in: Silke Stattaus