08.08.2010 / Wort zum Tag

Jakobus 3,10

Aus einem Munde kommt Loben und Fluchen. Das soll nicht so sein.

Jakobus 3,10

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Es wird viel zu viel geredet und geschrieben. Und das führt zu einer Entwertung der Worte. Angefangen hat dieses Zuviel wohl spätestens mit der Erfindung des Buchdrucks. Dann kamen die ersten Tageszeitungen, das Telefon, Radio und Fernsehen und schließlich das Internet. Und das Ergebnis ist: Es werden immer mehr Worte gemacht. Dabei helfen alle mit: Journalisten, Politiker, Stars und Sternchen, Prediger, aber auch der Mann und die Frau von der Straße. Sie alle wollen gehört werden und erleben frustriert, dass ihr Wort kaum noch Beachtung findet. Diese Erfahrung ist der Nährboden für einen unerbittlichen Wettkampf darum, beachtet zu werden. Was genau man sagt oder schreibt, scheint dabei oft zweitrangig zu sein. Hauptsache, man wird gehört. Oft nehmen auch wir als Sprechende nicht mehr ernst, was wir sagen. Es geht dann nicht mehr um Inhalte, sondern um den flüchtigen Moment im Scheinwerferlicht. Worte werden beliebig und wertlos. Manche sagen es sogar offen: „Was geht mich an, was ich gestern gesagt habe! Heute wollen die Leute etwas anderes hören!“

Spielt wirklich keine Rolle mehr, was wir sagen? Haben die Worte ihren Wert und ihre Kraft verloren? Wohl kaum! Das merken wir z.B., wenn uns ein einzelner Satz von einem Menschen, der uns wichtig ist, total aus dem Konzept bringen kann. Vielleicht ist es nur eine leise Anfrage, vielleicht auch ein offener Vorwurf. Und schon sind wir völlig von der Rolle. Doch, doch, Worte können auch heute noch höchst wirksam sein. Worte können verbinden oder trennen, kränken oder ermutigen und sogar heilen. Worte können Abgründe überbrücken oder Gräben aufreißen. Sie können missbraucht werden: Jemand spielt sich damit auf oder braucht sie als Waffe, um andere gezielt zu schädigen. Worte können verantwortlich in den Dienst einer Sache gestellt werden oder fahrlässig-propagandistisches Getöse sein. - Mit dem, was auf meiner Zunge liegt und dann ausgesprochen wird, gebe ich ein Stück von mir preis. Und ich bin verantwortlich dafür, was ich damit anrichte.

Der neutestamentliche Jakobusbrief beschäftigt sich in seinem dritten Kapitel ausführlich mit diesen Zusammenhängen. Er bezeichnet die Zunge als des Menschen stärkstes Organ und beschreibt mit eindrücklichen Bildern, was Worte anrichten können. In Vers 10, dem Wort zum heutigen Tag, heisst es z.B.: „Aus einem Munde kommt Loben und Fluchen. Das soll nicht so sein.“

Dem kann man leicht zustimmen. Bloß, ist der Wunsch auch realistisch? Jakobus selbst bezeichnet die Zunge als unbezähmbar. Wenn das so ist, wie kann ich mich dann auf gute, aufbauende und hilfreiche Worte beschränken? Alles herunterzuschlucken, was nichts Gutes bewirkt, ist nicht ehrlich und ausserdem ungesund. – Vielleicht kann ein Wort von Jesus weiterhelfen. Er hat einmal festgestellt: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über!“ (Mt 12,34b). Demnach braucht nicht der Mund, sondern das Herz eine Therapie. Das, was wir sagen, spiegelt ja nur, wie es in uns drinnen aussieht. Je mehr wir uns von Vertrauen, Liebe und Ehrfurcht gegenüber allen Geschöpfen bestimmen und erfüllen lassen, desto besser und hilfreicher werden unsere Worte sein. Darum empfiehlt der Jakobusbrief: „Lasst euch mit Weisheit von oben füllen!“ (vgl. Jak 3,13-17). In diesem Sinne wünsche ich uns gute himmlische Eingebungen, damit unser Reden gut und hilfreich wird für andere – und die Quelle erkennen lässt.

Autor/-in: Pfarrer Daniel Eschbach