16.10.2023 / Wort zum Tag

Ist es Gott egal?

Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.

Psalm 103,10

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Schwer zu glauben, in einer Welt, die vom Grundsatz lebt: Wie du mir, so ich dir. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Dabei kann ich mich schon glücklich schätzen, wenn ich so mit einem blauen Auge davonkomme. Meistens fällt die Vergeltung härter aus. Quasi als präventiven Lerneffekt, bekomme ich das Böse doppelt und dreifach zurückerstattet. Ich lese in der Bibel, dass das bei Gott ganz anders ist.

„Er handelt nicht mit mir nach meiner Sünde und vergilt mir nicht meine Missetat.“ Ist es Gott egal? Am Ende kommen doch alle in den Himmel? „Na toll!“, denke ich. „Dann hat die Mühe endlich ein Ende, immer mit schlechtem Gewissen nach den 10 Geboten zu leben?“ Aber gefällt mir das wirklich? „Oh weh! Wenn es gar keine abschreckende Bestrafung und Verurteilung des Bösen gibt, – dann ist dem gottlosen Handeln Tor und Tür geöffnet!“

Na, dann doch lieber einen harten, strafenden Gott. Der Böse muss wenigstens ein schlechtes Gewissen bekommen. Im Blick auf die göttlichen Strafen, die ewige Höllenpein, wird er sich vielleicht ändern? Ohja, das wünschte ich mir längst, dass Gott die Bösen noch härter bestraft, außer bei mir natürlich! Während ich so in Gedanken noch hin- und hergerissen bin, stocke ich.

Mal abgesehen davon, dass heutzutage viele gar nicht daran denken, ob es einen Gott gibt oder nicht, wäre es denen auch egal, ob dieser Gott strafen würde oder nicht. Und ist das mein Gottesbild? Besteht darin mein Gläubig sein, dass ich aus Angst vor einem womöglich strafenden Gott, lieber artig und anständig bin, damit ich in den Himmel komme und nicht Höllenstrafe erleide?

Was ist das für ein Gott, der es sich leisten kann, soooo großzügig zu sein, wie es im Psalm 103 vorgestellt wird? Was für eine Erfahrung hat der Psalmbeter gemacht? Ein komplett anderes Bild von sich, hat Gott ihm ins Herz gegeben! Nun, auf jeden Fall muss es beeindruckend gewesen sein. Der ganze Psalm schwärmt von Gottes Weisheit, seinen guten Taten und seiner barmherzigen Art. David, von dem diese Sätze stammen, will es sich immer und immer wieder in Erinnerung bringen, was er von Gott erfuhr, was er mit ihm erlebte. Ein Loblied gegen das Vergessen.

So einen Gott, muss ich nicht fürchten! Seine Größe hat es nicht nötig, kleinlich abzurechnen. Seine alles verändernde Kraft liegt in seiner Barmherzigkeit. David kommt es gar nicht in den Sinn, weil Gott großzügig ist, in seinem Verhalten freizügig zu werden. Im Gegenteil. Die Vergebung seiner Verfehlungen, das Ausgleichen seiner Hilflosigkeit und das Wissen um eigene Bedürftigkeit, ziehen ihn umso mehr in die Nähe Gottes.

Mehr und mehr wird sich David bewusst: Der Mensch ist wie Gras, das verdorrt, wie lästiger Staub, der irgendwann abgeschüttelt, zur Erde fällt. Was bestehen soll, braucht die Verbindung zu dem Beständigen. Wer sich im Durcheinander des Lebens nicht verrennen will, kann sich an diesen Gott wenden. Er hat sogar ein ganzes Volk aus den Irrwegen einer tödlichen Wüstenwanderung rausgeholt. Seine Gebote, die er Mose wissen ließ, sind nicht sein göttliches Strafgesetzbuch, mit dem er Urteile verhängt und begründet. Nein, an diese Gebote zu denken, hilft mir zur Orientierung für mein eigenes Tun. Und wenn ich dabei Fehler mache, wenn das alte Denken mich einholt, ich Versuchungen erliege, das Gute, das ich wollte, nicht zustande brachte, - dann rechnet Gott nicht ab, wie meine Untreue es verdient hätte. Nicht weil es ihm egal wäre, was ich tue. Nein, weil er mit seiner Güte mich zur Umkehr ermutigt.

Das ist das Bekenntnis aller, die zu Gott umkehrten: Bei ihm anzukommen, ist nicht mit der Angst verbunden, verurteilt zu werden, sondern mit der Freude, geliebt zu sein. Ja, er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. So hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die in Ehrfurcht mit ihm verbunden sind.

Autor/-in: Pfarrer Martin Hüfken