14.03.2023 / Wort zum Tag

In mir ist es finster

Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

2. Korinther 4,6

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Dietrich Bonhoeffer hat von sich gesagt: „In mir ist es finster“. Und er beschreibt damit treffend den Gemütszustand. Ja, ich gebe es zu, auch in mir ist es oft finster. Totale Sonnenfinsternis. So viel, was einem das Leben unendlich schwer macht. So viel Enttäuschung. So viel schwere Schicksalsschläge. So viel Angst, soviel Sorgen. Ja: „In mir, in meiner kleinen Welt, ist es finster“. Irgendwie hat sich am Zustand nichts verändert, wie er uns schon von Anfang überliefert ist: „Die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe“ (1. Mose 1, 2)

Das Verhängnisvolle an der Finsternis in mir ist, das ich herumirre wie ohne Augenlicht. Ich sehe weder, wo es hingeht, noch sehe ich irgendwelche Zusammenhänge oder Auswege. Ich tappe einfach blindlings umher. Für Menschen, die nicht von Geburt an blind sind, ist das ein hoffnungsloses und unerträgliches Unterfangen. Man möchte ja gerne sehen! Das heißt ja auch, man hat es im Griff und kann alles kontrollieren.

Finsternis heißt: ausgeliefert sein. Ohnmächtig sein. Finsternis ist aber auch die Beschreibung für den Zustand, dass wir Gott nicht mehr sehen. Das wir den Eindruck haben: er ist weg, hat uns im Stich gelassen. Wir sind gottlos und gottverlassen.

Seit ihr Mann diesen Schlaganfall hatte und er zum Pflegefall wurde, versucht sie ihre Finsternis zu verbergen. Aber sie sagt es immer wieder: „In mir ist es finster.“ Seit seine Frau das Haus verlassen hat und mit den Kindern das Weite gesucht hat, versucht er die Finsternis zu ertränken. Aber seine innere Stimme sagt es immer wieder: „In mir ist es finster.“ Seit er gekündigt wurde, ist es finster in ihm. Seit die Kinder aus dem Haus sind, um die sie sich die ganzen Jahre gekümmert hat, ist es finster in ihr. Seit 30 Jahren hat sich ihre Tochter nicht mehr gemeldet und sie sagt zu mir: „Herr Pfarrer, in mir ist es dunkelste Nacht. Totale Finsternis.“

Und ja, als sie mir gegenübersaß, habe ich ihre innere Finsternis gesehen: sie machte in der Tat ein finsteres Gesicht. Und manch einer wurde aus Gram über die Finsternis in ihm zu einem „finsteren Gesellen", zu einer "finsteren Gestalt". Finsternis färbt ab. Finsternis dringt durch. Wäre da nicht… gleich am Anfang auch dieses… und Gott sprach: „Es werde Licht! Und es ward Licht.“

Und das „Licht machen“ wiederholt sich… Gott, der da sprach: „Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

In meine innerste Finsternis, meine dunkle kleine Welt gibt Gott einen Hoffnungsschimmer. Einen hellen Schein. Aus einem finsteren Gesellen wird ein Zeuge Gottes. Aus einer finsteren Gestalt lässt Gott eine Lichtgestalt werden. Zu seinem Lob und zu seiner Ehre. Psalm 139, 11-12: „Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich ein – so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht!“ 

Ein Gebet von Bonhoeffer – nicht nur ein Morgengebet:

Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen
hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;
ich kann es nicht allein
In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht
ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht
ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe
ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden
in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist Geduld
ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den rechten Weg für mich.

Vater im Himmel,
Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht
Lob und Dank sei dir für den neuen Tag
Lob und Dank sei dir für alle deine Güte und Treue
in meinem vergangenen Leben.
Du hast mir viel Gutes erwiesen,
lass mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.
Du wirst mir nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann.
Du lässt deinen Kindern alle Dinge zum Besten dienen.
 

Autor/-in: Heiko Bräuning