12.07.2022 / Zum Schwerpunktthema

Ich lege mich nicht mehr fest

Freiheit bedeutet vor allem, Gott nicht kleiner zu machen als er ist. Und staunend zu warten, was er als nächstes bereithält.

Ich gehöre zu der sogenannten Generation Y. Skeptisch, freiheitsliebend, alles hinterfragend. Für mich ist Freiheit ein selbstverständliches Lebensgefühl. Als Journalistin habe ich dieses Gefühl zu meinem Beruf gemacht. Es ist meine Aufgabe, skeptisch zu sein und den Dingen auf den Grund zu gehen. Doch Freiheit hat für mich auch eine geistliche Dimension. Und die war für mich sehr lange gar nicht greifbar.

Was bedeutet geistliche Freiheit? Nun, erst einmal zwingt mich niemand, Christin zu sein. An Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist zu glauben. Niemand hindert mich, die Bibel Wort wörtlich zu nehmen. So habe ich gelebt und ich hielt mich für geistlich frei. Dann lernte ich vor knapp 10 Jahren den ERF kennen und lieben, ich fing hier an zu arbeiten. Diese Arbeitsbeziehung sollte meine ganze geistliche Lebenswelt ins Wanken bringen.

Der Wendepunkt

Damals arbeitete ich in der TV-Redaktion und erlebte den Relaunch unserer sehr beliebten Sendereihe „Hof mit Himmel“ hautnah mit. Die neue Sendung, die daraus entstehen sollte, trägt bis heute den Namen „ERF Mensch Gott“. Meine Aufgabe war zunächst, eine Probesendung redaktionell aufzubereiten. Kein Problem, denn es gibt im ERF haufenweise spannende Lebensgeschichten von Menschen, die mehr als einmal in ihrem Leben dem Allmächtigen begegnet sind. Die Vorbereitungen liefen prächtig, wir zeichneten eine gelungene Sendung auf. Alles mit geistlichen Aspekten, die mir vertraut waren.

Der Wendepunkt vollzog sich, als ich eine weitere Sendung für das nun gestartete Format recherchierte. Ich weiß nicht mehr, wie viele Gastvorschläge, Biografien und Recherchegespräche ich durchgeackert hatte, um zu dem Schluss zu kommen: Die glauben alle anders als ich!

Dann stand die Produktion der ersten Aufzeichnungen an. Wir zeichneten fünf Sendungen am Stück auf. Es waren für mich acht Stunden Gänsehaut. Bei der Gebetsrunde vor jeder der Sendungen war die Atmosphäre vollgestopft mit Gottes Gegenwart. Ich spürte die Energie, als die Menschen ihre Geschichten mit Gott vor den Kameras erzählten. Eine Lebensgeschichte wundersamer für mich als die andere. Ich war überwältigt und das, obwohl ich doch selbst glaubte, dass Gott heute noch Wunder tut. Alle Gäste erlebten das Gleiche: Sie begegneten Gott, erkannten seine Herrlichkeit und ihr Leben veränderte sich. Es gab keine Geschichte, die sich wiederholte.

„Ich bin, der ich bin“

Es ging nicht mehr um meine Sicht und meine Skepsis. Es ging vielmehr um mich persönlich und um das, was ich glauben kann – was ich Gott zutraue oder ihm abspreche. Welche Wunder tut er heute? Heilt er Menschen körperlich oder nur noch seelisch? Lasse ich Gott die Freiheit, dass er Menschen im Traum begegnet und zu ihnen spricht? Glaube ich, dass die Dimension des Heiligen Geistes mehr ist als Sprachengebet?

Alle Vorstellungen von Gott, die ich bisher hatte, machten ihn nur klein. Unfrei. In mir tobte ein Kampf, ein Begreifen-wollen von jemandem, der nicht zu begreifen ist. Und plötzlich hatte ich einen Gedanken im Kopf, der mich nicht losließ und der mir auf der Stelle einen übermenschlichen Frieden bescherte: „Ich bin, der ich bin!“ Bäm. Alle Gedankenfetzen flogen davon und ich badete in dieser Aussage: „Ich bin, der ich bin!“ Es war eine Gottesbegegnung.

Freiheit platzt hinein

Ich bin keine Theologin. Ich weiß gerade so, dass sich Gott Mose auf diese Weise vorgestellt hat im brennenden Dornenbusch. Und dann dieser Gedanke, diese Gegenwart mitten im Studio, mitten in der Gebetsrunde. Ich war überwältigt und musste flüchten. Gott ist mir begegnet und er ist noch viel größer als ich es je erahnen konnte und vielleicht werde können. Er ist für jeden Einzelnen individuell der, der er ist. Er ist der, der mitgeht in die schlimmsten Abgründe und er ist der, der sich in kein Bild hineinzwängen lässt.

Mit dieser Erkenntnis platzte Freiheit in mein Leben. Eine geistliche Freiheit, die sich auch so anfühlte. Diese Freiheit heißt für mich heute: Ich warte staunend, was Gott als nächstes bereithält. Ich presse Gott nicht in meine Erwartungen. Ich rechne damit, dass er auch anders sein kann, als ich ihn in den letzten Jahren erlebt habe. Ich rechne damit, dass Gott mir noch einiges zeigen will von seiner Herrlichkeit. Denn ich glaube fest, dass Gottes gutes Königreich schon hier auf der Erde erlebbar ist. Und die Freiheit, auf allen Ebenen, steht in diesem Reich an erster Stelle.

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