29.04.2023 / Wort zum Tag

Ich bin reich

Den Reichen in dieser Welt gebiete, dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, zum Teilen bereit sind.

1. Timotheus 6,17–18

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Nein, das ist kein Vers für Elon Musk, Jeff Bezos und Bill Gates. Wenigstens nicht nur. Es ist ein Vers für mich, für Sie, für uns alle:

„Den Reichen in dieser Welt gebiete, dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, zum Teilen bereit sind.“ (1. Timotheus 6,17-18)

Die Reichen dieser Welt - ja, wir gehören dazu. Nach Berechnungen der Weltbank leben 700 Millionen Menschen in extremer Armut, heißt: sie müssen mit weniger als 2,15 Dollar am Tag auskommen. Aber das ist nicht alles. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung, rund 3,5 Milliarden, lebt unterhalb der Armutsgrenze, und die liegt je nach Wirtschaftskraft eines Landes zwischen 3,20 und 5,50 Dollar pro Tag. Was bedeutet: Du hast 90 bis 170 Dollar im Monat. Also rund 160 Euro.

Ich denke an einen Besuch in Bolivien. Dort erzählte man mir von einer Umfrage: „Wovon träumen Sie?“ Die meistgegebene Antwort der Menschen dort: „Ich träume davon, arm zu sein.“ Häh? Ja, denn die meisten leben in extremer Armut. Arme haben immerhin ein kleines bisschen mehr zum Leben.

Wir sind reich. Ich bin reich. Darum gilt der Paulus-Satz eben auch für mich.

Stolz sein soll ich nicht. Natürlich nicht. Ich bin in einem der reichsten Länder der Welt geboren und aufgewachsen. Ich habe noch nie wirklich Hunger gehabt. Ich konnte zur Schule gehen, einen Beruf lernen und ausüben. Und, ach, so vieles mehr. Darauf darf ich mir nichts einbilden. Ich habe mir das nicht verdient. Also: „Seid nicht stolz!“

Und: „Verlass dich nicht auf deinen Reichtum!“ Tue ich das? Irgendwie mehr, als mir oft bewusst ist. Ich merke das immer dann, wenn irgendwo ein Krieg ausbricht, der mich bedroht. Wenn Banken ins Straucheln geraten, das Sparkonto schmilzt und ich ängstlich und unsicher werde. Ich erinnere mich dann immer wieder an Hiob und seinen weisen Satz: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“ Alles kommt von Gott. Er gibt - und ich will mich daran freuen - aber er darf auch wieder nehmen. Ich will ihm danken und mich auf ihn verlassen. Er sorgt. Also: „Verlasst euch nicht auf euren Reichtum!“

Gutes tun sollen die Reichen, soll ich. Jede Gabe ist Aufgabe. Was Gott mir gibt, darf ich weitergeben. Heinz-Horst Deichmann, der Gründer der weltweit tätigen Schuhaus-Kette, hat es einmal so gesagt: „Mir gehört nur, was ich verschenke.“ Er hat das gelebt. Und viele andere gut situierte Christen auf der Welt leben es auch. Ich will es auch leben. Und so reich werden an guten Werken, so wie Paulus das nennt. Schätze im Himmel sammeln. Zum Teilen bereit sein. Und das gerne und nicht verkrampft und erzwungen. Ich will achtsam leben und fragen: Wo ist einer, der meine Hilfe braucht? Also: „Tut Gutes mit dem, was euch anvertraut ist.“

Das alles fällt mir oft schwer. Und ich entdecke, dass ich sparsamer und geiziger werde, je mehr ich habe. Besitz, Reichtum, hat eine merkwürdige Sogkraft. Einer hat es einmal so gesagt: „Das Eigentum eignet sich den Eigner an.“ Heißt: Ich besitze nicht länger, ich werde besessen.

Schon manchmal hatte ich mir vorgenommen, eine ordentliche Spende zu überweisen - und saß dann auf einmal zögernd vor dem Überweisungsformular. Soll ich wirklich so viel? Reicht nicht auch weniger? Meist habe ich dann doch getan, was ich mir vorgenommen hatte – und war hinterher erleichtert und zufrieden. Zufriedener jedenfalls, als hätte ich alles oder einen Teil für mich behalten.

Du hast Recht, Paulus: Wer gibt, wird reich. Wer alles für sich zu behalten versucht, wird arm. Und außerdem: Warum sollte ich verkrampft zu hüten versuchen, was mir ohnehin nicht gehört. Ich bin ein Beschenkter. Darum will ich weiterschenken.

Autor/-in: Jürgen Werth