04.11.2023 / Wort zum Tag

Ich bin nie allein

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Jesaja 66,13

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So lautet die Losung der Herrnhuter Brüdergemeine für den heutigen Tag und sie steht am Ende des Jesajabuches, im Kapitel  66, Vers 13.

Wenn ich daran denke, was das Wort „trösten“ oder „Trost“ eigentlich bedeutet, dann fällt mir immer ein Bild aus dem Obstanbau ein: Wenn ich z.B. ein neues Apfelbäumchen pflanze, hebe ich nicht nur ein ausreichend großes Pflanzloch aus und versorge es eventuell mit guter Pflanzerde, sondern dann schlage ich in den festen Grund daneben auch einen starken Pflock ein. Mit einer speziellen Anbindetechnik wird dann das Bäumchen mit dem Pflock verbunden – nicht zu eng, aber auch nicht zu locker – eben gerade richtig, dass das Bäumchen genug Halt einerseits und genug Spielraum zum Wachsen andererseits hat.

Wer tröstet, macht das, was der Pfahl auch macht: Er gibt Halt und Beistand in den Stürmen und Erschütterungen, die den Baum aus dem Gleichgewicht und zum Umstürzen bringen könnten.

Wenn ich also jemanden trösten möchte, dann reicht es zunächst völlig, ganz schlicht und doch verlässlich da und anwesend zu sein. Ich brauche den anderen im übertragenen Sinne nicht fortwährend mit den Armen zu umschlingen – das könnte ihm den Atem nehmen; es hilft auch wenig, wenn ich vor lauter Solidarität und Mitgefühl im gleichen Schmerz und in der gleichen Trauer versinke wie er oder sie. Ich muss vielmehr den richtig bemessenen Abstand finden, damit der andere in guter Weise noch meine verlässliche Gegenwart und meine innere Standfestigkeit spüren und sich an mir festhalten kann. In vielen Kulturen gehört zu den Trauerbräuchen, die trauernden Hinterbliebenen für eine gewisse Zeit nicht einen Augenblick alleine zu lassen, sondern sie zu unterstützen, mit Essen zu versorgen – oder eben einfach stille mit ihnen zusammen auf dem Sofa zu sitzen: Einfach da sein.

Und wenn ich selbst Trost brauche? Stürme und Erschütterungen aller Art gehören zum Leben bekanntlich dazu und ich kann mich ihnen nicht entziehen. Aber ich kann Ausschau halten nach einem Tröster und nach dem, was oder wer mir hilft, Halt und Standfestigkeit zu bewahren oder neu zu geben vermag.

Es ist der lebendige Gott, der uns diesen Trost anbietet und zuspricht. Der Prophet Jesaja nimmt ein anderes Bild: Es ist das Bild der tröstenden Mutter, das in eine ganz ähnliche Richtung weist, wie das Bild von Apfelbäumchen und Stützpfahl und durch dieses in passender Weise ergänzt wird.

Kürzlich war ich mit meiner Tochter im Auto unterwegs. Auf dem Rücksitz saßen ihre beiden kleinen Kinder in ihren Kindersitzen, müde und dem Weinen nahe. Meine Tochter saß am Steuer – und tat das, was wohl jede Mutter instinktiv tut: Sie ließ die Kinder spüren, dass sie da ist, auch, wenn die Kinder aufgrund ihrer Sitzposition ihre Mama nicht direkt sehen konnten. „Ich bin doch da!“ – meine Tochter wurde nicht müde, diesen Satz immer und immer wieder zu wiederholen – und er wirkte!

„Was auch immer über mich hereinbricht: Ich bin nie allein. Mein Vater im Himmel ist doch da! Er ist jetzt hier bei mir.“ Wer sich das im entscheidenden Augenblick ins Gedächtnis rufen und diesen Satz seiner aufgewühlten Seele zusprechen kann – der wird getrost. Mehr noch: In einer Situation, in der Jesus seine Jünger darauf vorbereitet, dass er nun bald weggeht und zum Vater geht, verspricht er ihnen: „Wenn ich weggehe, will ich den Tröster zu euch senden.“ (Johannes 16,7) Damit meinte er niemand Geringeren als den Heiligen Geist. In ihm erfüllt sich endgültig das Versprechen Gottes: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“

Autor/-in: Johannes Hilliges