25.02.2016 / Rezension

Hüter meiner Seele

Für John Ortberg ist unsere Seele das Wertvollste, was wir haben. Höchte Zeit für eine Bestandsaufnahme.

„Wann haben Sie das letzte Mal über Ihre Seele nachgedacht?“ Diese eher persönliche Frage leitet den Klappentext des Buches „Hüter meiner Seele“ von John Ortberg ein. Doch was ist überhaupt unsere Seele? In seinem Buch „Hüter meiner Seele“ setzt sich John Ortberg intensiv mit dieser Frage auseinander und erklärt nicht nur, was unsere Seele ist, sondern auch, wieso die Sorge um unsere Seele unser wichtigstes Lebensziel sein sollte. Denn, so zitiert Ortberg den Philosophen Dallas Willard: „Das Wichtigste im Leben ist nicht das, was du tust, sondern wer du wirst. Denn genau das wirst du in Gottes Ewigkeit mitnehmen.“

Unsere Seele ist mehr als unsere Psyche

Gleich zu Beginn seines Buches beantwortet John Ortberg umfassend, was der Begriff Seele bezeichnet und was nicht. Für ihn bedeutet Seele nicht einfach unser Selbst oder unsere Psyche, sondern das Zusammenspiel von Körper, Verstand und Willen und umfasst damit alle Bereiche unserer Persönlichkeit. Eine gesunde Seele macht laut Ortberg aus, dass diese drei Bereiche nicht nur miteinander im Einklang sind, sondern auch im Einklang sind mit dem, wozu Gott uns geschaffen hat.

Damit ist Seele für John Ortberg etwas Anderes als Psyche. Sich um seine Seele zu kümmern, heißt nicht, sich selbst zu verwirklichen, sondern sich selbst so zu sehen, wie Gott mich sieht. Damit macht Ortberg gleich zu Anfang deutlich, dass die Sorge um die eigene Seele nicht selbstbezogen, sondern auf Gott ausrichtet sein soll. Es geht also nicht um persönliche Zufriedenheit, sondern darum, zu dem Menschen zu werden, zu dem uns Gott erschaffen hat. Ortberg spricht in diesem Zusammenhang von der gesunden und der kranken Seele. Doch was meint er damit?

Die kranke Seele

Anhand einiger persönlicher Beispiele macht Ortberg im Folgenden deutlich, was unsere Seele krank machen kann. Er benennt drei Arten einer kranken Seele. Zum Ersten kann die Seele verhärten. Das kann durch Verletzung oder Enttäuschung geschehen. Menschen mit einer verhärteten Seele sind zynisch, misstrauisch oder verbittert. Sie können Enttäuschungen nicht loslassen und sind blind dafür, dass sie auch andere verletzen.

Ein zweites Problem besteht, wenn wir uns mit unserer Seele und ihren Bedürfnissen nicht auseinandersetzen. Dann bleibt unsere Seele oberflächlich. Zum Dritten können Alltagssorgen und andere Sehnsüchte uns den Blick auf die Bedürfnisse unserer Seele verstellen. John Ortberg spricht hier von „der überladenen Seele“. Das trifft zu, wenn Menschen sich mit Belanglosigkeiten beschäftigen und die Bedürfnisse der Seele mit ebensolchen zu stillen versuchen.

In diesem Zusammenhang schildert John Ortberg auch seine eigene Geschichte und gesteht: „Die Seele, die verloren gegangen war und deretwegen ich in den geistlichen Dienst gegangen war, war meine eigene.“ Laut Ortberg gibt auch der fromme Ausdruck „verlorene Seele“ nicht allein darüber Auskunft, ob wir später einmal bei Gott sein werden, sondern mehr über den jetzigen Zustand unserer Seele. Ortberg erklärt dies folgendermaßen: „Wir sind nicht deshalb verloren, weil wir einmal am falschen Ort landen werden. Wir werden am falschen Ort landen, weil wir verloren sind.“

Diese Art, über Seelenheil zu schreiben, hat mich sehr beeindruckt. Ortberg erklärt überzeugend und verständlich, dass unsere Sünde mit dem Zustand unserer Seele unmittelbar zusammenhängt. Die Krankheit unserer Seele und unsere Verfehlungen bedingen sich gegenseitig. Wir sündigen, weil unsere Seelen krank sind. Und die Sünde macht unsere Seelen noch kränker.

Was unsere Seele benötigt

Doch wie wird unsere Seele heil? Auf diese Frage geht John Ortberg im zweiten Teil seines Buches ausführlicher ein. Zunächst macht er deutlich, dass es wichtig ist, die Bedürfnisse der eigenen Seele wahrzunehmen. Denn erst das hilft uns zu erkennen, dass allein Gott diese Bedürfnisse stillen kann.

Wenn wir das erkannt haben, gibt es laut Ortberg neun Dinge, die unsere Seele benötigt. Wenn wir auf diese Punkte achten, wird unsere Seele heil. Als ersten und einen der wichtigsten Punkte weist John Ortberg darauf hin, dass unsere Seele einen Hüter braucht. Damit meint er, dass wir selbst die Verantwortung für unsere Seele übernehmen. Dies ist der entscheidende erste Schritt.

Des Weiteren braucht unsere Seele noch acht weitere Dinge, um heil zu werden: eine Mitte, Zukunft, Gemeinschaft mit Gott, Ruhe, Freiheit, Segen, Zufriedenheit und Dankbarkeit. Die ersten drei Punkte beziehen sich in Ortbergs Buch vor allem auf unsere Beziehung zu Gott, während die weiteren fünf Punkte das Zusammenspiel zwischen uns, unseren Mitmenschen und Gott beschreiben. Viele dieser Punkte wie Ruhe, Zufriedenheit und Dankbarkeit werden auch in anderen christlichen Ratgebern empfohlen. Doch besonders an Ortbergs Buch ist, dass er die Zusammenhänge dieser Punkte in Bezug auf unsere Seele erläutert. Für ihn ist Dankbarkeit nicht einfach etwas, mit dem es sich glücklicher lebt − es ist essentiell für unsere Seele, Dankbarkeit einzuüben.

Fazit

Insgesamt gibt John Ortberg viele wichtige Impulse. Zum Teil sind diese zwar schon in anderen Büchern zu lesen, aber Ortberg schafft es, die unterschiedlichen Themen überzeugend miteinander zu verbinden. Besonders beeindruckt hat mich sein scharfer Blick darauf, was unsere Seele ist und wie der Zustand unserer Seele mit der Sünde zusammenhängt. Seine Gedanken dazu habe ich als einmalig empfunden und noch in keinem anderen Buch so viel Erhellendes dazu gelesen. Beim Lesen des Buches habe ich bei vielen Sätzen gedacht, dass ich sie noch mal lesen oder mir am besten irgendwo gut sichtbar hinhängen sollte, um immer wieder daran erinnert zu werden.

Und obwohl John Ortberg als Theologe seine Gedanken zu diesem Thema gründlich erläutert und biblisch begründet, wirkt „Hüter meiner Seele“ alles andere als oberlehrerhaft. Vielmehr zeigt Ortberg als Autor hier eine sehr persönliche Seite von sich selbst. Statt dem Leser anhand eines „5 Punkte-Plans“ zu sagen, was dieser zu tun hat, nimmt er diesen bei der Hand und mit auf eine Reise, die er selbst erst begonnen hat. Auch Ortbergs Schreibstil ist anschaulich, lebensnah und einprägsam.

Das Buch „Hüter meiner Seele“ ist damit für alle Menschen empfehlenswert, die sich intensiver mit ihrer eigenen Seele befassen wollen. Noch intensiver könnte es die Lektüre machen, wenn man sich mit einem engen Freund, einem Mentor oder Seelsorger über das Gelesene austauschen kann. Dann fällt es auch leichter, Ortbergs Hinweise und Tipps direkt im eigenen Alltag umzusetzen.

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

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