04.03.2022 / Andacht

Hört Gott Notgebete?

Gedanken zum Weltgebetstag der Frauen mitten in der Ukraine-Krise

Zurzeit beschäftigt mich die Notlage in der Ukraine fast rund um die Uhr. Ich verfolge die neuesten Nachrichten und melde mich bei Freunden, die Kontakte im Krisengebiet haben. Wenn ich schon selbst so unruhig bin – wie wird es erst denjenigen gehen, die um ihr eigenes Leben bangen oder auf der Flucht sind? Wenn ich mir diese Frage stelle, wird mein Herz von Mitgefühl für alle akut Betroffenen überflutet.

Ich verspüre jetzt den Drang, mehr zu beten, als ich es sonst tue. Außerdem gewinnen meine Gebete an Dringlichkeit und Emotionalität. Mitten in meinem inneren Sturm macht mich mein Gebet ruhig. Es gelingt mir dadurch zumindest für einen Moment, meine Last und Verantwortung an einer kompetenten Stelle, nämlich bei Gott, abzugeben. Warum nur entdecke ich dieses Geschenk vor allem in Krisen?

Ich scheine nicht die einzige zu sein, der es so geht. Mir fällt dazu eine Anekdote ein, in der sich ein Busfahrer und ein Pfarrer unterhalten. Der Busfahrer berichtet dem Pfarrer augenzwinkernd, dass durch seinen Job mehr Leute zum Beten gebracht würden als durch den Dienst des Pfarrers: „Wenn Sie predigen, schlafen die Gottesdienstbesucher ein. Wenn ich fahre, beginnen meine Passagiere zu beten.“

Gebet als Multifunktionswerkzeug

Wenn ich in der Bibel von Menschen lese, die in den Jahrhunderten vor mir gelebt, gelitten und gebetet haben, wird mir klar: Gebet hat mehr Funktionen, als nur ein Zufluchtsort in Gefahr zu sein. Es verstärkt Dankbarkeit und Freude. Gebet kann außerdem zur Prophylaxe und Vorratshaltung für schwere Zeiten werden. Aber es ist genauso als Notnagel erlaubt. Das zeigt uns sogar Jesus selbst, der beinahe an der Last zerbrochen ist, die er zu tragen hatte (Markus 14,34). Um stark zu bleiben, hat er in Angst und Schwäche umso öfter und inständiger gebetet. Zusätzlich hat er sich bei seinen Freunden Gebetsunterstützung erbeten.

Gebet kann zur Prophylaxe und Vorratshaltung für schwere Zeiten werden. Aber es ist genauso als Notnagel erlaubt.

In Notsituationen darf ich das Gleiche tun wie Jesus und andere betende Vorbilder. Ich bedaure zwar, dass ich in guten Zeiten oft meine Beziehung zu Gott vernachlässige. Aber ich will mich nicht mehr von meinem schlechten Gewissen davon abhalten lassen, in Krisenzeiten besonders viel zu beten. Stattdessen mache ich mir bewusst, wie gnädig Gott ist. Er freut sich über jede einzelne Person, die auf ihn zukommt. Er hat immer ein offenes Ohr für die Ängste und Bitten seiner Kinder.

Der Weltgebetstag motiviert zum Beten

Der Weltgebetstag der Frauen am 4. März will dazu einladen: zum gemeinsamen Gebet. Fürbitte und Lob gehören hier zusammen, wenn sich traditionell am ersten Freitag im März weltweit in 150 Ländern Christinnen und Christen zum Gottesdienst treffen.

Die deutsche Weltgebetstags-Vorsitzende Irene Tokarski beschreibt die Kampagne so: „Das Gebet geht rund um die Welt. Wir wollen uns damit Mut zusprechen, uns gegenseitig bestärken und Gottes Zukunftsplan Hoffnung im eigenen Leben in die Wirklichkeit umsetzen.“ Durch die verschiedenen Zeitzonen bedingt, wird 24 Stunden gebetet. Frauen auf den Fidschi-Inseln machen den Anfang. Danach folgen Gottesdienste in einem Land nach dem anderen.

Krisen überstehen

Bereits Jahre im Voraus wählt das Weltgebetstags-Komitee eine Region aus, die im Mittelpunkt steht. Diesmal ist es England, Wales und Nordirland. Das mag angesichts der Ukraine-Krise unpassend wirken. Doch es kann gerade in dieser Situation dazu dienen, uns eines bewusst zu machen: Gott sehnt sich nach Gemeinschaft mit seinen Menschen – nicht nur, wenn sie gerade in akuter Gefahr stecken. So soll zwar am Weltgebetstag auf jeden Fall für den Frieden in der Ukraine und in aller Welt gebetet werden.

Doch auch in England, Wales und Nordirland kennen die Bewohner Krisen – nicht nur den religiös-politisch motivierten Nordirlandkonflikt, sondern auch wirtschaftlich-politische Uneinigkeit wie beim Brexit. Der Weltgebetstag will bewusst auf Einzelschicksale aufmerksam machen und erzählt persönliche Geschichten von Frauen aus diesen Ländern, die in Ausweglosigkeit Mut geschöpft und Gottes Plan für ihr Leben entdeckt haben.

Solche Berichte geben Hoffnung. Denn oft sehen wir nicht, was unser Gebet bewirkt und was Gott vorhat. Oder wir brauchen einen langen Atem. So haben sich in der Stadt Charkiw im Osten der Ukraine seit 2014 jahrelang Menschen morgens um 7 Uhr im Zentrum der Stadt zum Friedensgebet getroffen. Sie haben das bereits getan, als noch keine russischen Truppen im Anmarsch waren.

Sie sind der Aufforderung nachgekommen für alle Menschen zu beten: „Betet besonders für alle, die in Regierung und Staat Verantwortung tragen, damit wir in Ruhe und Frieden leben können, ehrfürchtig vor Gott und aufrichtig unseren Mitmenschen gegenüber“ (1. Timotheus 2,2). Auch jetzt geben ukrainische Christen die Hoffnung nicht auf und bilden Gebetsketten auf Plätzen und an Straßenrändern oder versteckt in Häusern in Charkiw und in anderen Städten.

Gebet schweißt zusammen

Die deutsche Weltgebetstags-Vorsitzende Irene Tokarski ist sich der Herausforderung bewusst. Das formuliert sie so:

Wir beten mit dem Mut der Verzweiflung. Es klingt wahnsinnig. Und doch sind wir überzeugt, dass unser Gebet Wirkung hat und dass es uns zusammenschweißt. Dass es sogar am Ende diese Welt verändern kann. – Irene Tokarski

Wer sich gemeinsamen Gebeten um Frieden, Mut und Hoffnung für die Ukraine und weltweit anschließen will, findet Möglichkeiten dazu bei lokalen und digitalen Veranstaltungen des Weltgebetstags sowie bei der vom ERF unterstützten weltweiten Gebetsbewegung „Women of Hope“. Ganz besonders geht es bei diesen beiden internationalen Projekten um die Unterstützung von Frauen. Sie sind diejenigen, die in vielen Regionen der Welt benachteiligt sind und in Krisen- und Kriegssituationen besonderen Schutz brauchen.

Autor/-in: Sonja Kilian

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