02.02.2012 / Buchrezension

Hölle light

Gibt es eine Hölle? Francis Chan geht dieser Frage in seinem neuen Buch nach und nimmt dabei auch Rob Bells Standpunkt unter die Lupe.

Können Sie sich an die letzte Predigt erinnern, in der das Wort „Hölle“ gefallen ist? Wissen Sie noch, wie Sie reagiert haben? Der Begriff muss nur erwähnt werden, um bei den Zuhörern Unbehagen auszulösen. Im Allgemeinen schweigen Christen, zumindest in den USA und Europa, über die mögliche Existenz eines solchen Ortes lieber – abgesehen von einigen Hardlinern, die die Leute mittels einer Höllenangst zum Glauben bewegen wollen.

Es überrascht, dass Gerth Medien in diese Totenstille hinein ein Buch mit dem Titel „Hölle light“ auflegt. Schließlich hat das Mitglied der Random House Gruppe nicht gerade den Ruf eines Haudegens unter den evangelikalen Verlagen. Doch schon der erste Satz der Einführung macht klar, dass es hier nicht darum geht, einer lau gewordenen Christenheit endlich einmal den Marsch zu blasen: „Wenn Sie sich auf dieses Buch gefreut haben, haben Sie jetzt ein Problem. Verstehen Sie, was für ein gewichtiges Thema wir hier behandeln? Wir spüren der Möglichkeit nach, dass Sie oder ich die ewigen Qualen der Hölle erleiden müssen. ‚Sich freuen‘ ist in diesem Zusammenhang daher wohl nicht der richtige Begriff. Eher müsste man sagen, dass dieses Buch notwendig ist.“

Aufbau des Buches

In diesem Sinne geht Autor Francis Chan vorsichtig und mit einem genauen Blick auf die entsprechenden Bibelstellen an die Frage heran, ob es tatsächlich einen solchen Ort der Qual gibt und ob Menschen ewig darin gefangen sein werden. Zuerst setzt er sich dafür mit der Position der sogenannten Allversöhner auseinander und geht hier insbesondere auf Rob Bell ein. Der amerikanische Pastor hat 2011 mit seinem Buch „Das letzte Wort hat die Liebe“ für Diskussionen gesorgt, weil er darin die Möglichkeit offen lässt, dass Gott letztlich alle Menschen retten wird. Obwohl Chan sich wünscht, dass die Vertreter dieser Theologie Recht behielten, zeigt er, dass der biblische Sachverhalt diese Annahme nicht stützt.

Danach geht er auf zentrale Aussagen von Jesus und den Aposteln zum Thema ein und erklärt sie – u.a. auch vor dem Hintergrund zeitgenössischer jüdischer Literatur. Nachdem diese Grundlagen gelegt sind, wird Chan persönlicher: Er stellt den Leser vor die Frage, was das Ganze mit ihm selbst und seiner Vorstellung von Gott zu tun hat. Einige Seiten mit häufig gestellten Fragen (FAQs) zur Hölle, eine ausführliche Bibliographie und vertiefenden Anmerkungen bilden den Schluss des Buches.

Hauptaussagen

In seinen Ausführungen kommt der Pastor und Autor immer wieder auf zwei Dinge zu sprechen:

Erstens: Ob es die Hölle gibt oder nicht, ist nicht zuallererst eine dogmatische Frage, sondern eine, die das Schicksal jedes Menschen entscheidend bestimmt. Deswegen kann es in dieser Auseinandersetzung nicht darum gehen, sich gegenseitig Argumente um die Ohren zu schlagen, um einen Disput zu gewinnen. Stattdessen müssen Theologen und Laien, die sich mit dieser Materie beschäftigen, sauber und aufrichtig arbeiten, damit sie den Menschen sagen können, was Sache ist. Und: Wer davon ausgeht, dass es eine Hölle gibt, sollte alles daran setzen, dass er selbst und andere Menschen dort nicht die Ewigkeit verbringen müssen.

Zweitens: Es mag nicht unserem Bild und unserer Vorstellung von Gott entsprechen, dass er seine Geschöpfe wirklich für alle Ewigkeit auf diese Art und Weise straft. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass nicht wir diejenigen sind, die entscheiden können, wie Gott zu sein oder was er zu tun hat. Wir können nur anerkennen, dass Gottes Gedanken höher sind als unsere und einen Weg finden, ihm trotz mancher Fragen und Schwierigkeiten zu vertrauen.
 

"Hölle light.
Was Gott über die Hölle sagt - und was wir daraus gemacht haben."
Francis Chan
Gerth Medien
ISBN: 3865916694
176 S.
13,99 EUR

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Lesprobe

(Bild: Gerth Medien)

Stärken und Schwächen

Es ist Chans Verdienst, ein Tabuthema ruhig und sachlich aufzugreifen und auch außerhalb von Theologenkreisen ins Gespräch zu bringen. Dabei lässt der Autor sich nicht zu Spekulationen über die Hölle hinreißen und macht auch deutlich, wo wir Fragen offen lassen müssen. Er versucht aufzuzeigen, was nach seinem Verständnis in der Bibel steht – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die größte Stärke von „Hölle light“ liegt jedoch darin, dass Chan es respektvoll und dennoch deutlich wagt, uns mit einem anderen, größeren Gott zu konfrontieren, als wir ihn oft wahrhaben wollen. Damit fordert Chan heraus, korrigiert aber auch ein einseitiges Gottesbild und – dadurch bedingt - eine einseitige Verkündigung.

Einziger wirklicher Schwachpunkt des Buches ist, dass Chan in seinem Bemühen, Christen aus einer falschen Heilssicherheit aufzuwecken, nicht ausführlich genug deutlich macht, was einen Menschen vor der Hölle retten kann. Hier könnte für bereits verunsichterte Christen der Eindruck entstehen, dass sie sich den Himmel letztlich doch verdienen müssen.

In seiner Anrede an den Leser ist der Autor darüber hinaus manchmal typisch amerikanisch – glücklicherweise geht es für einen Europäer jedoch nicht über die Schmerzgrenze. Ob die FAQs in ihrer Kürze eine gute Ergänzung zum ansonsten ausführlicher gearbeiteten Buch sind, sei dahin gestellt.

Noch ein Wort zum leicht missverständlichen Titel des Buches: Es geht Clan nicht darum, leicht verdauliche Aussagen über die Hölle zu präsentieren. Das light bezieht sich stattdessen auf  die Tendenz, entsprechende biblische Aussagen weichzuspülen. Der englische Titel Erasing Hell (Die Hölle auslöschen) ist hier eindeutiger.

Für wen?

Das Buch ist für alle geeignet, die sich fragen, ob es eine Hölle gibt und welche Bedeutung ihre Existenz für unser Leben hat. Es ist größtenteils leicht verständlich geschrieben: Details sprachlicher oder dogmatischer Art sind meistens in die Anmerkungen ausgelagert, so dass sie den Lesefluss nicht stören. Insbesondere Laien können von dem Buch profitieren, den Chan nimmt sie bewusst in die theologische Diskussion hinein und erklärt dafür notwendige Hintergründe.

Fazit

„Hölle light“ leistet einen guten und wichtigen Beitrag zu einem Thema, dass wir als Christen heute oft scheuen und das doch zur Botschaft von Jesus dazugehört. Es ist zu wünschen, dass solche ruhige und gut verständliche Denkanstöße auch bei anderen Tabuthemen neu möglich werden.

Francis Chan über sein neues Buch auf YouTube (in Englisch):

Autor/-in: Hanna Willhelm