18.02.2011 / Lesetipp

Hochzeit nicht ausgeschlossen

Partnersuche kann schwierig sein. Warum nicht einen Heiratsvermittler fragen? In Irland gibt es noch einen, der dieses Handwerk beherrscht: Willie Daly.

Willie Daly sieht so aus, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Er trägt einen Bart und hat ein gütiges Gesicht. Nur der gemütliche Bauch, den ich ihm zugedacht hatte, fehlt. Dafür ist er größer. Komisch, dass ich mir den Menschen eher vorstellen konnte als seinen Beruf. Aber das ist eigentlich nicht verwunderlich, denn Willie Daly ist Heiratsvermittler (engl. matchmaker). Und darüber findet man beim Arbeitsamt oder in den Medien kaum Informationen.

Der Ire ist vermutlich auch einer der letzten, der dieses Handwerk in Europa ausübt. Er tut es schon sein Leben lang, genau wie sein Großvater und sein Vater vor ihm. Er tut es trotz Singlebörsen im Internet und Partnervermittlungsagenturen. Er meint, es liege ihm einfach im Blut. Der Erfolg gibt ihm Recht. Denn trotz seines hohen Alters und der veränderten Zeiten bitten ihn Menschen aus aller Welt noch immer darum, einen Partner für sie zu finden.

Partnersuche bei der Viehauktion

Wie sein Vater und sein Großvater notiert sich Daly in einem Buch alle Heiratskandidaten samt ihren Wünschen.
Bild: John Kelly

Jetzt ist die Lebensgeschichte dieses Mannes, der angeblich halb Irland miteinander verkuppelt hat, auch auf Deutsch erschienen. Auf rund 250 Seiten erfährt der Leser, wie der kleine Willie in einem abgelegenen irischen Dorf aufwächst und sich bei seinem Vater abschaut, wie dieser für junge Farmersburschen Ehefrauen findet. Meistens im Auftrag der Eltern, die ihn dafür diskret auf dem Viehmarkt ansprechen. Hat Vater Daly ein passendes Mädchen, wird der Kontakt hergestellt und oft läuten wenig später die Hochzeitsglocken.

Willie selbst wollte nie in die Fußstapfen seines Vaters treten. Aber seine intuitive Begabung durchkreuzt seine Absichten, ohne groß nach seiner Meinung zu fragen. Denn noch als Jugendlicher versucht er aus einer schelmischen Laune heraus, einen Freund zu verkuppeln. Mit Erfolg. Damit nimmt eine Karriere ihren Anfang, die nicht mehr recht in die heutige Zeit und unser Verständnis von Liebe und Ehe passt und trotzdem eine ungeheure Faszination ausübt. Nach wie vor suchen ihn Singles auf dem Matchmaking-Festival in Lisdoonvarna auf und fragen ihn, ob er nicht einen passenden Mann oder eine Frau für sie hätte. Und wie sein Vater und sein Großvater vor ihm macht sich Willie Notizen in seine Kladde. Wenn er meint, jemand Passendes gefunden zu haben, bringt er die beiden in einem Pub bei einem Glas Guinness und traditioneller irischer Musik zusammen. Davon und von der Entwicklung, die das ländliche Irland nach dem zweiten Weltkrieg bis heute genommen hat, erzählt „Hochzeit nicht ausgeschlossen“ Seite um Seite, gewürzt mit irischem Humor.

Irische Liebesgeschichten

Die irische Lebensweise und Geschichte ist untrennbar mit Willies Tätigkeit verbunden, die er selbst so beschreibt: „Ein Glas Guinness muss perfekt eingeschenkt werden. Das ist ebenso eine Kunst wie das Vermitteln von Ehen. Beides braucht eine ruhige Hand, viel Geduld und einen Tusch am Ende. Nur dann kann man das ganz besondere Aroma genießen. Ein Guinness, so sagt man, macht die Schüchternen kühn und verlieht auch den Kühnen das extra Quäntchen Mut, das man in bestimmten Augenblicken braucht. Wie heißt es doch so schön: ‚Einem irischen Mädel gibt man keinen überraschenden Kuss. Man küsst es höchstens ein wenig früher, als es dachte.‘“

Wen solche Aussagen daran zweifeln lassen, ob Ehen halten, die auf diese Art und Weise zustande gekommen sind, kommt beim Lesen des Buches ins Staunen. Erstaunlich viele Ehepartner scheinen miteinander glücklich geworden zu sein und haben Familien gegründet. Und das, obwohl der Heiratsantrag manchmal für uns heute Schwindel erregend schnell noch am Abend des Kennenlernens gestellt wurde - und wird!

In dieser Andersartigkeit liegt auch das Faszinierende der Autobiographie. In einer Zeit, in der es einem Glücksspiel gleichzukommen scheint, den richtigen Partner zu finden, ist diese Methode verwirrend und anziehend zugleich. Sie stellt eigene Vorstellungen von der Partnerwahl auf den Kopf und lässt bodenständig das durchblitzen, was für viele Ehepartner früher selbstverständlich war: Man heiratete, weil man nicht allein sein wollte, weil der Wunsch nach einer Familie da war und weil man sich – auch wirtschaftlich - brauchte. Dafür erwartete man nicht den Traumtypen, sondern einen Menschen, mit dem man im Alltag einigermaßen klar kam. Diese Sichtweise kann für Partnersuchende im 21. Jahrhundert eine Hilfe dabei sein, ihre Prioritäten bei der Suche zu durchdenken und vielleicht sogar neu zu ordnen.

Im 21. Jahrhundert von der Weisheit eines Heiratsvermittlers profitieren

Natürlich sieht der 68-jährige ganz realistisch, dass die Lebenswelt der Singles heute eine völlig andere ist, als die im ländlichen Irland vor 40 oder 50 Jahren. Trotzdem ermutigt er seine Klienten (und den Leser), zu heiraten und eine Familie zu gründen. Und er gibt ihnen Tipps, wie sie bei der Partnersuche erfolgreich sind: Immer wieder ist in den Kapiteln ein „guter Rat vom Matchmaker“ eingestreut. So kommt der Leser zwar nie ganz dahinter, wie Willie Daly eigentlich vorgeht, wenn er zwei Leute unter die Haube bringt. Aber er bekommt einen Eindruck davon und dazu noch eine gute Portion Lebensweisheit, meistens vermischt mit einem Stück irischer Kultur oder Geschichte.

Hier eine kleine Kostprobe: „Nicht selten begegnen mir Leute, die von der Liebe dieselben himmelstürmerischen Vorstellungen haben wie die jungen Menschen, die damals von den Wolkenkratzern von New York träumten. Diese Auswanderer, die in der Neuen Welt dann auf viel Ablehnung und wenig Chancen trafen, erinnern mich an die Singles von heute. Natürlich verliert man den Mut, wenn man nicht gleich erfolgreich ist. Wie ich bereits sagte: Der erste Schritt hin zur Liebe ist, für sie bereit zu sein. Der zweite Schritt ist, zu akzeptieren, dass es hin und wieder auch Enttäuschungen gibt. Wenn jemand keinerlei Rückschläge hinnehmen müsste, wäre er kein Mensch. Einen Partner zu finden und eine Beziehung aufzubauen, braucht Zeit. Aber Geduld bringt, wie es so schön heißt, am Ende doch Rosen.“

Fazit

Der Beruf des Heiratsvermittlers wird in unserem Kulturkreis durch Willie Dalys Lebensgeschichte sicherlich keine Wiederauferstehung feiern. Aber sie macht deutlich, dass Ehen, die auf diese Art und Weise zustande kamen, nicht schlechter funktioniert haben, als unsere sogenannten Liebesehen. Die unzähligen Paare, die so zusammen gekommen sind – und erstaunlicherweise noch zusammen kommen – machen das deutlich. Viele der Geschichten sind dabei ganz unspektakulär. Das ist in einer Zeit der überhöhten Erwartungen an den Traummann oder die Traumfrau Balsam für die Seele und macht Mut, die Partnersuche gelassener anzugehen. Insgesamt hat mich das Buch angeregt, darüber nachzudenken, was eigentlich eine Ehe ausmacht und was ihr Bestand gibt. Darüber hinaus habe ich Einiges über Land und Leute gelernt. Das macht das Buch nicht nur für alle Liebhaber von Romantik und von soliden Ehen, sondern auch für alle Irlandfans zu einem kleinen aber feinen Lesetipp.


Hochzeit nicht ausgeschlossen.
Die wahre Geschichte des Mannes, der halb Irland unter die Haube brachte.

Willie Daly/ Anne Lanier

Knaur Verlag

16,99€ [D]

Autor/-in: Hanna Willhelm

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