03.03.2024 / Wort zum Tag

Herz zu Herz statt Mund zu Ohr

Zachäus sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemand betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren.

Lukas 19,8–9

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„Was sagt Jesus zu Zachäus, als er unter seinem Maulbeerfeigenbaum steht?“ fragt die Pfarrerin im Kindergottesdienst. Eifrig meldet sich die kleine Maja: „Rapunzel, Rapunzel lass mir dein Haar herunter!“

Na ja, die Geschichte mag ein paar Jahre alt sein. Die meisten Kinder heute wissen vermutlich weder, wer der biblische Zachäus noch wer die Märchenfigur Rapunzel war. Um die soll’s hier und heute auch gar nicht gehen, sondern um den Zolleinnehmer Zachäus, von dem Lukas in seinem Evangelium erzählt. Obwohl: Vielleicht gibt es doch die eine oder andere Parallelität zwischen den beiden. Doch dazu später.

Zachäus. Er lebt und arbeitet in Jericho. Da betreibt er im Auftrag der römischen Besatzungsmacht eine Zollstation. Dabei ist er reich an Vermögen geworden, aber arm an Beziehungen. Für die Leute ist er ein Kollaborateur. Sie meiden seine Gesellschaft.

Als Jesus durch Jericho kommt, will Zachäus ihn unbedingt sehen. Warum, weiß man nicht. Viele stehen am Straßenrand. Zu viele für Zachäus. Man lässt ihn nicht durch. „Das hast du nun davon!“ Zachäus, ein kleiner Mann, weiß Rat. Er klettert auf einen Maulbeerfeigenbaum und sichert sich dort einen Logenplatz. Er hat alles im Blick und ist vor den Blicken der anderen sicher. So ein Maulbeerfeigenbaum hat große Blätter.

Dann passiert das Unerhörte: Jesus bleibt stehen. Direkt unter dem Baum von Zachäus. Und was sagt er? Nein, nicht “Rapunzel …“ sondern „Zachäus steig runter, denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.“

Zachäus weiß nicht, wie ihm geschieht. Anders als bei uns heute war es damals eine große Ehre, wenn einen jemand besuchen kam. Und dann noch so einer! Der Rabbi vom See Genezaret! Der Wunderheiler! Der Gottesmann! Und das bei ihm. Dem Ausgegrenzten. Zachäus hüpft vom Baum und lädt den Rabbi und die ganze Meschpoche, die ihn begleitet, in sein Haus.

Was da geredet wird, wissen wir nicht. Vielleicht gar nicht so viel. Aber was Zachäus am Ende sagt, das wissen wir, Lukas hat’s aufgeschrieben:

„Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemand betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.“ Und Jesus antwortet: „Heute ist diesem Hause Heil widerfahren.“

Einer, der den Leuten das Geld aus der Tasche gezogen hat, schiebt es mit Zins und Zinseszins zurück. Ein Schlitzohr leiht den Armen sein Ohr und schenkt ihnen einen ordentlichen Teil seines Vermögens. Ein Gauner wird zum Geber.

Und das nur, weil Jesus bei ihm eingekehrt ist. Weil er sich ihm zugewandt hat! Vielleicht nur deshalb. Nicht eine donnernde Strafpredigt verändert Zachäus, sondern eine einfache Begegnung. Die Begegnung mit dem Gottessohn, der, wie er selber gesagt hat, gekommen ist, die Verlorenen zu suchen, zurückzuholen zu Gott, zurückzulieben.

Schon menschliche Zuwendung verändert. Göttliche Zuwendung macht alles neu.

Zuwendung war es auch, die Rapunzel, die von einer Zauberin erst in einen Turm gesperrt und dann in eine Wüstenei verbannt worden war, die Tür in ein neues Leben öffnete. Die Liebe eines Prinzen - was sonst! - rettete sie aus ihrem Gefängnis, aus ihrer Isolation. Mehr Parallelen will ich aber jetzt nicht suchen. Das Wort zum Tag ist keine Märchenstunde.

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, sagt Martin Buber. Ich ergänze: Jede Veränderung des Lebens beginnt mit einer Begegnung. Es ist weniger das Mund zu Ohr, das wir so häufig betonen, sondern viel mehr das Herz zu Herz. Jesus hat es uns vorgemacht. Und wir dürfen es ihm nachmachen. Meinetwegen schon gleich bei den ersten Menschen, die unseren Weg kreuzen.

Autor/-in: Jürgen Werth