10.05.2023 / Wort zum Tag

Herz einschalten

Ein Aussätziger kam heran und fiel vor Jesus nieder und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.

Matthäus 8,2

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Jesus füllte seine Zeit, indem er sie mit den unterschiedlichsten Menschen verbrachte, in den Dörfern und Städten und in den Synagogen. Wir würden heute sagen in den Kirchen und Gemeinden. Viele liefen ihm nach, wie der Leprakranke aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 8, Vers 2: „Er kam heran und fiel vor Jesus nieder und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich heilen.“ Und Jesus heilte ihn, ganz selbstverständlich. Er litt mit als Mensch und half mit göttlicher Kraft.

Zur Zeit Jesu herrschten gnadenlose römische Gesetze mit einer erdrückenden Steuerlast und es herrschten ebenso gnadenlose religiöse Vorschriften mit erdrückenden Forderungen, Gott zu dienen und zu gefallen. Römer trieben mit aller Härte die Steuern ein und die geistlichen Oberhäupter forderten gnadenlos die Einhaltung aller religiösen Bestimmungen. Da erscheint Jesus seiner Zeit als gelebte Barmherzigkeit. Kein Mensch zu hoch und keiner zu tief, als dass Jesus ihm nicht geholfen hätte, wenn er darum gebeten wurde. Zeit als Mensch unter Menschen. Zeit für Gott und von Gott für eine Welt voller Dunkelheit. Jesus knipst das Licht der Menschlichkeit an. Damals wie heute. Bloß, körperlich ist er nicht mehr da. 2000 Jahre nicht mehr. Wie kommt nun die gelebte Barmherzigkeit Gottes zu Menschen des 21zigsten Jahrhunderts?

Ganz einfach: Indem wir fragen, wem wir helfen können, wen wir heilen können und wem wir Orientierung geben können? Moment, werden Sie jetzt denken: Helfen? - ja! Christliche Orientierung? - auch ja! Aber heilen? - Das kann ich nicht. Doch, wir können. Gewiss nicht so wundertätig wie Jesus. Aber gewiss so barmherzig wie er. Wie meine ich das?

Ein Beispiel, nichts Spektakuläres aber für mich von Bedeutung: In Marburg, in einem großen Geschäft. Direkt im Eingang das Zeitschriftenregal. Vor dem Regal eine junge Frau. Sie sitzt auf einem Dreirad, sie hätte auch im Rollstuhl sitzen können. Sie kommt nicht an ihre Zeitschrift heran. Nun beobachtete ich, wie eine ältere Person, etwas beleibt und selbst gehbehindert, an der jungen Frau vorbei drängelte. Bis dahin nichts Besonderes. Aber dann sagte dieser Mensch: „So etwas müsste verboten werden. Die haben zuhause zu bleiben und nicht im Weg herumzustehen.“ – Netter Zeitgenosse! Es braucht nicht viel, anderen das Leben schwer zu machen, denke ich. Ich sah ihm direkt in die Augen, doch er drängelte ungerührt weiter durch das Geschäft. Für kleine Gesten der Wertschätzung hatte er nichts übrig.

Nein, Christen müssen nicht immer nett sein. Und Ja, wir sind nicht Jesus, der immer so anders war. Doch wäre es möglich, wie Jesus mit göttlicher Kraft zu ermutigen, zu helfen, ja sogar zu heilen?

Jesus jedenfalls hielt das für möglich, als er einst seine Jünger losschickte, eben das zu tun. Und sie machten sich auf den Weg. Können wir das nicht auch? – Jesus würde sagen: Natürlich. Nehmt euch die Zeit für Gott und füreinander. Geht aufeinander zu. Esst und trinkt zusammen. Ladet gerne Gäste ein. Steht nicht fest im Glauben, sondern bewegt euch. Macht euch auf den Weg in eure Zeit, die so anders ist als damals vor 2000 Jahren in Israel. Der Heilige Geist ist mit euch. Wenn ihr ihn bittet, wird er euch helfen, die unveränderliche Liebe Gottes in eure Zeit zu tragen. Wie anders als von Mensch zu Mensch wird Liebe erfahrbar? – Deshalb wurde Gott Mensch. Jesus ist die gelebte Wirklichkeit Gottes, liebesmächtig, gnädig und barmherzig. Kraft des Heiligen Geistes können wir lieben. Wohlgemerkt: nicht immer im großen Stil, gewiss aber im Rahmen unserer Möglichkeiten, indem wir uns umschauen. Und von Zeit zu Zeit wird uns ein anderer Mensch brauchen. Diese Zeiten anzunehmen und sich gebrauchen zu lassen, bedeutet zu lieben. Ja, es ist möglich, ganz menschlich, anderen das Leben zu erleichtern, statt es ihnen schwer zu machen.

So weit, so gut. Alles schon mal gehört. Und wieder liegt es an mir, wie ich mein Leben gestalte, meine Zeit, die mir nicht gehört, die ich mir nicht ausgesucht habe, die augenblicklich enden kann. Und wieder Jesus als Vorbild, dessen Stärke und Menschenliebe ich nie erreichen werde. Nicht frustrieren lassen. Das Herz einschalten.

Autor/-in: Mag. Theol. Rositta Krämer