31.10.2010 / Wort zum Tag

Hebräer 3,12

Seht zu, dass keiner unter euch ein böses, ungläubiges Herz habe, das abfällt von dem lebendigen Gott.

Hebräer 3,12

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Friedrich wuchs in einem christlichen Elternhaus auf. Sein Vater war Pfarrer, starb aber schon, als er erst 5 Jahre alt war. Doch er blieb in einem christlichen Umfeld, wurde konfirmiert und lernte sehr intensiv den christlichen Glauben kennen. Als junger Mann aber setzten sich in ihm Zweifel fest. Mit der Zeit kam ihm das ganze Christentum verlogen und kraftlos vor. Aber statt nach der Wahrheit des christlichen Glaubens weiter zu suchen, wurde für ihn die Wahrheitsfrage immer unsicherer. Er kam zu dem Schluss: Alle Wahrheiten sind Illusionen. Sie sind wie Münzen, die ihr Bild verloren haben und niemand kann mehr das verloren gegangene Bild finden. Aus dem letzten Satz spricht noch ein Stückchen Sehnsucht nach dem, was er verloren hatte: den Glauben an den lebendigen Gott.

Der Mann, den ich eben beschrieben habe, ist Friedrich Nietzsche. Bei ihm ist genau das eingetreten, wovor der Hebräerbrief warnt: „Seht zu, dass keiner unter euch ein böses ungläubiges Herz habe, das abfällt vom lebendigen Gott.“ Solch ein ungläubiges Herz entsteht nicht von heute auf morgen, sondern langsam und schleichend. Unheimlich wie eine Schlange kommt es heran und setzt sich fest. Deswegen heißt es in der Bibel an dieser Stelle auch: „Ermahnt euch täglich, damit sich eure Herzen nicht verhärten, wenn ihr die Stimme Gottes hört.“ Sicher haben im Leben von Friedrich Nietzsche auch so manche christlich angehauchten Menschen versagt, denn er sagte einmal: „Die Christen müssten erlöster aussehen, damit ich an ihren Christus glauben könnte“. Aber ich bin davon überzeugt, dass Gott ihm auch mehrere Chancen gab, unverfälscht seine Stimme zu hören und sich ihm zu öffnen.

Dass Nietzsche durch sein ungläubiges Herz sein eigentliches Zuhause verloren hat, zeigen folgende Zeilen, die er am Ende seines Lebens niederschrieb. In seinem Gedicht „Vereinsamt“ heißt es:
„Die Welt – ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt.
Wer das verlor,
was du verlorst, macht nirgends halt.“
Und am Schluss dieses Gedichts schreibt er:
„Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
-Bald wird es schnein,
Weh dem, der keine Heimat hat.“

Die Heimat für seine suchende Seele hatte er verloren. Die geistliche Heimat bei dem lebendigen Gott, die er von seiner Kindheit her kannte, war ihm fremd geworden. Tief in seiner Seele brannte ein Schmerz, der nicht auszulöschen war. Aber die Heimat fand er nicht mehr. Die Verhärtung hatte sich schon zu sehr in ihm festgesetzt.

Sollte das nicht jeden unter uns nachdenklich machen?! Viele kennen den christlichen Glauben oder haben davon gehört. Aber wenn das Herz sich nicht dem lebendigen Gott zuwendet, bleibt alles vergeblich.

Autor/-in: Pfarrerin Dr. Ulrike Eichler