21.05.2020 / Wort zum Tag

Hassen? Ich? Echt jetzt?

Die ihr den HERRN liebet, hasset das Arge!

Psalm 97,10

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Im Alten Testament geht es oft ums Entweder-Oder. Ums Ganz oder Gar nicht. Um Lieben oder Hassen. So muss man denn wohl auch den Psalmvers verstehen, der  über diesem Tag steht: „Die ihr den Herrn liebet, hasset das Arge!“ Eine einfache Gleichung: Gott lieben heißt das Arge hassen. Das Böse. Und damit alles das, was Gott entgegensteht.

Aber so einfach ist das jetzt doch nicht für mich. Ich gebe zu: Ich mag das Wort „hassen“ nicht. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich es lese oder höre. Wer hasst, zerstört. Wer hasst, hat einen Tunnelblick, hat Tunnelgedanken und Tunnelgefühle. Er ist getrieben von unkontrollierbaren und unbeherrschbaren dunklen Emotionen. Wer hasst, ist nicht mehr frei. Er hasst nicht nur, er muss hassen.

Und das soll ich? Sollen wir?

Ich möchte nicht hassen. Und schon gar nicht hassen müssen.

Aber schauen wir genauer hin: Im Alten Testament, das auf Hebräisch geschrieben worden ist, klingt das Wort für „hassen“ nicht ganz so krass wie im Deutschen. Es beschreibt einen emotionalen Zustand der Aversion, der Abneigung. Allerdings in unterschiedlichen Härtegraden. Es bedeutet manchmal auch einfach Zurückweisen im Gegensatz zu Bevorzugen. Es kann Widerwillen ausdrücken. Und Feindschaft. Das alles gibt unser deutsches Wort so nicht her.

Das Arge hassen heißt also: Ich bin ein Feind des Bösen, ich weise es zurück. Ich empfinde einen starken Widerwillen. Und, ja, das kenne ich. Das entdecke ich häufig in mir. Ungerechtigkeit in jeder Form. Gewalt und Vergewaltigung. Hinterhältigkeit. Ja, das hasse ich. Das verabscheue ich. Das weise ich, wo immer es geht, zurück. Es passt nicht zu mir und schon gar nicht zum Wesen Gottes. Es passt nicht in seine Welt und nicht zu den Menschen, die sich an ihn halten, die ihn lieben, wie unser Psalmvers sagt. Denn bei Gott stimmt das Gegenteil: Gott ist der gute Vater, der einfallsreiche Schöpfer. Er will, dass es seiner Schöpfung gut geht. Er will Liebe. Gerechtigkeit. Menschenwürde. Tierwohl. Darum hasst auch er das Arge, das Böse. Er weist es energisch zurück.

Er hasst die bodenlose Gier der einen auf Kosten der anderen. Er hasst die brutale Gewalt der Kriegstreiber auf allen Seiten. Er hasst die Selbstverliebtheit der Machthaber. Er hasst die industrielle Ausbeutung von Tieren. Er hasst Stickoxyde in seiner Atmosphäre und Plastikinseln in seinen Meeren. Er hasst. Und ich hasse auch. Und ich kämpfe an seiner Seite dafür, dass die Menschen zurückfinden zu ihm und zu seinen guten Lebensregeln. Ich stehe auf seiner Seite. Ich lebe auf seiner Seite. Ich engagiere mich auf seiner Seite. Auf diese Seite gehöre ich. Zu ihm gehöre ich, ich vertraue ihm, ich will auf ewig mit ihm zusammen sein, mit dem Licht, nicht mit dem Dunkel, ich, ja, ich liebe ihn.

Hassen. Haltungen und Handlungen. Ja! Aber - nicht Menschen! Jesus hat das sehr eindeutig gesagt und gelebt und damit ausgedrückt, wie Gott selber ist und wie er sich verhält: Liebet eure Feinde!

Jesus hat das Arge gehasst, das Böse. Aber er ist für die, die es in die Welt gebracht haben, gestorben.

Ihn lieben, ihm nachfolgen heißt: Ich mache es wie er: Bin unnachgiebig gegen das Böse engagiert, aber will die, die es verursachen, immer wieder neu unter das Kreuz Jesu locken. An den Ort, an dem der helle Himmel und die dunkle Erde neu zueinanderfinden unter der Herrschaft des Gottes, der in Liebe brennt für seine Welt.

Autor/-in: Jürgen Werth