28.10.2022 / Wort zum Tag

Gottes Weisungen weitergeben

Kinder, die das Gesetz nicht kennen, sollen es auch hören und lernen, den HERRN, euren Gott, zu fürchten alle Tage.

5. Mose 31,13

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Mose ist am Ende seines Weges angekommen. Noch einmal hat er seinem Volk, den Israeliten, das Gesetz Gottes vorgelesen, die Tora. Und nicht nur das. Er hat es aufgeschrieben und den Priestern und Ältesten des Volkes anvertraut, damit es auch künftig vorgelesen und beachtet und gelebt wird. Sein Vermächtnis ist abgeschlossen.

Ich lese ein paar Verse aus dem 5. Buch Mose, das die Juden Dewarim, Worte, nennen.

„Mose schrieb dieses ganze Gesetz in ein Buch und übergab es den Priestern aus dem Stamm Levi, die die Bundeslade trugen, sowie den Ältesten des Volkes. Er gab ihnen den Auftrag: ‚Alle sieben Jahre, im Erlassjahr, sollt ihr dieses Gesetzbuch öffentlich verlesen. …Auch eure Kinder, die dieses Gesetz noch nicht kennen, sollen es hören, damit sie lernen, den Herrn, euren Gott, ernst zu nehmen und ihm zu gehorchen. So soll es sein während der ganzen Zeit, die ihr in dem Land lebt, das ihr jetzt in Besitz nehmen werdet.’«

Das Gesetz wird erinnert. Und es wird weitergegeben. Von Generation zu Generation. Und damit vor allem auch an die Kinder, die es noch nicht kennen. Das Gesetz des Lebens, des Zusammenlebens, das Gesetz des Mit-Gott und Von-Gott und Vor-Gott-Lebens.

Tora heißt dieses Gesetz bei den Juden. Das Wort kann man vielleicht passender mit dem Wort „Weisung“ übersetzen. „Gesetz“ klingt steif und papieren. Gesetz klingt nach Behörde. Nach fernen Instanzen. Weisung klingt warm und fürsorglich. Weisung klingt nach Wegweisung. Nach Nähe und Freundlichkeit. Einer zeigt dem anderen den Weg, damit er sich nicht verläuft und verirrt, damit er nicht umkommt, sondern am Ziel ankommt.

Gott ist keine Behörde. Es geht bei ihm nicht um das starre Einhalten von Vorschriften. Es geht ihm ums Leben. Es geht ihm um Liebe. Denn dieser Gott ist das Leben und die Liebe, er ist nah und warm und freundlich, und er will seine Menschen davor bewahren auf tödliche Irrwege und Abwege zu geraten. Aus Liebe.

Und genau so sollen Eltern und Großeltern seine Weisungen an ihre Kinder und Enkelkinder weitergeben. Nah und warm und freundlich.

Manchmal haben das die Generationen vor uns vergessen. Da wurden die Gesetze vom Gesetzgeber gelöst. Man hatte sie einzuhalten, weil „man“ das eben so machte, weil sich das so gehörte. Und Gott geriet dabei zur fernen Behörde.

Doch Gott ist ein naher und liebevoller Gott, dem es bei allem, was er sagt und tut, um uns geht. Um unser Wohl und unser Heil. Er gibt seine Wegweisungen in Liebe und aus Liebe. Und nur wer sie in Liebe und aus Liebe weitergibt, wird ihm gerecht.

Ich weiß, das ist heute schwerer als noch vor Jahrzehnten. Bei uns Christen, und, ja, auch bei den Juden, denen diese Tora zuerst anvertraut worden ist. Gottes Weisungen haben es heute schwerer. Sie stehen in Konkurrenz zu unzähligen anderen Weisungen. Worte weiterzugeben ist immer noch wichtig, ja. Aber mehr denn je müssen wir diese Worte leben. Vorleben.

Wenn Gottes Liebe unser Leben erfüllt, wenn wir aufrecht und aufrichtig leben, wenn wir sorgsam mit Gottes Schöpfung umgehen, wenn wir auf die Menschen, die uns anvertraut sind, liebevoll und fürsorglich achten, wenn sie an uns sehen, dass wir einen ewigen Halt haben, der auch dem Tod standhält: Dann werden sie vielleicht neu nach dem Gott fragen, der schon vor vielen tausend Jahren das Volk Israel durch die Wüste ins Gelobte Land geführt hat als treuer Wegweiser und zuverlässiger Wegbegleiter.

Autor/-in: Jürgen Werth