05.01.2015 / Andacht

Gottes uneingeschränktes „Ja“

Warum für mich die Geschichte um Noah ein Zeichen von Gottes Liebe ist.

Es gibt Geschichten, die gehen einem nicht aus dem Kopf, wenn man sie einmal gehört oder gelesen hat. Die Geschichte von Noah ist so eine. Sie ist so spektakulär, dass sogar Hollywood sich ihrer bedient hat – auch wenn man es da mit der Genauigkeit nicht ganz so ernst nahm.

Aber was bleibt haften von der Geschichte? Was ist die zentrale Aussage von Noah und seiner Arche? Ist es die Bestrafung der ungehorsamen Menschen? Sollte die Geschichte Gottes Macht demonstrieren? Oder ist sie ein Hinweis dafür, dass Gott nur denjenigen wohlgesonnen ist, die ihm gehorsam sind? Das alles wäre durchaus denkbar. Aber wie passt diese Stelle zum „gnädigen Gott“, von dem so viele Christen schwärmen? Für mich steht daher ein ganz anderer Punkt im Vordergrund. Ein Punkt, der sich einem vielleicht nicht sofort erschließt.

Geht es in der Noah-Geschichte um Bestrafung oder Gnade?

Ganz nüchtern betrachtet wird durch die Flut der Großteil des Lebens auf der Erde vernichtet. Nur zwei Tiere jeder Art überleben. Von den Menschen überlebt nur Noahs Familie. Im Grunde ist das eine Art Genozid. Ich sehe in der Geschichte von Noah trotz alledem eher einen anderen Schwerpunkt. Für mich ist die ganze Begebenheit um die Flut eine Geschichte der Liebe und Gnade Gottes. Das klingt erst einmal völlig absurd. Wenn Gott nahezu alles Leben auslöscht – wie soll das etwas mit Liebe und Gnade zu tun haben?

Ich kann natürlich nicht für Gott sprechen. Aber die Bibel macht in 1. Mose 6,5 deutlich, dass die Menschen durch und durch böse waren. Sie fügten einander Leid und Schmerz zu. Das war sicher nicht im Sinne ihres Erfinders. Gott war wütend, aber auch bekümmert. Ich arbeite in unserer Gemeinde bei der Hausaufgabenhilfe mit. Dort geht es manchmal recht rau zu. Obwohl mir die Kinder wirklich am Herzen liegen, muss ich auch mal streng sein – und bestrafen. Gefallen tut mir das nicht. Aber es ist nötig – zum Wohle aller. Auch Gott sah sich genötigt einzugreifen. Noah war der einzige, dessen Leben sich durch Güte und Liebe auszeichnete. Ein einziger Mensch beziehungsweise eine Familie ließ Raum zur Hoffnung. Deswegen hat Gott nicht alles zerstört. Er wollte einen Neuanfang. Zugegeben – es ist und bleibt ein brutaler Neuanfang. Aber wenn eine Infektion der Gliedmaßen den ganzen Körper zu vergiften droht, muss notfalls eine Amputation her, um den Menschen zu retten. Das ist – zugegebenermaßen – eine radikale Lösung, aber ab und an notwendig.
 

Gott lässt außer Noah und seiner Familie alle Menschen sterben. Ich glaube, dass die Bosheit der Menschen Gott keine Wahl gelassen haben. Nach 150 Tagen beginnt das Wasser endlich zu sinken. Noah betritt endlich wieder festen Boden. Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, wie er sich gefühlt haben muss. Seine erste Tat ist ein Brandopfer für Gott – als Dank für seine Rettung. Daraufhin spricht Gott. Nie wieder will er alles Lebendige vernichten. Dann folgen die Worte des Monatsspruch: „So lange die Erde besteht, sollen nicht aufhören Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8,22) Ich glaube nicht, dass Gott Fehler macht. Aber in diesem Moment wird ihm vielleicht bewusst: „Strafe muss sein. Aber so extrem werde ich meine Geschöpfe nie wieder bestrafen.“

Gottes Gnade ist größer als unsere Ungerechtigkeit

Trotz der Bosheit der Menschen spricht Gott nach der Flut ein uneingeschränktes „Ja“ über seiner Schöpfung aus. Er bejaht unser Leben und unsere Existenz. Selbst, wenn wir einander Schaden zufügen und uns gegenseitig quälen – was ihm als unserem Schöpfer das Herz brechen dürfte. Seine Gnade ist größer als unsere Ungerechtigkeit und Bosheit. Der Wunsch, mit uns in Beziehung zu leben, ist stärker als der Schmerz, den unser Verhalten bei ihm auslöst.

Bis ans Ende dieser Welt erhält er die Gesetzmäßigkeiten von Saat und Ernte, Tag und Nacht, Sommer und Winter aufrecht. Diese Gesetze sind Grundlage unseres Lebens. Ohne sie könnten wir nicht leben. Das alles dient nur einem Zweck: Wir sollen die Möglichkeit haben, ihn kennenzulernen und unser Leben ihm anzuvertrauen. Machen wir uns nichts vor: Wir Menschen sind brutal, herzlos und in letzter Konsequenz egoistisch bis ins Mark. Trotzdem erhalten wir jeden Tag eine neue Chance – bis heute. Deswegen ist die Flut für mich ein Zeichen der Gnade und Güte Gottes. Denn verdient hätten wir diese zweite Chance nicht.

Autor/-in: Claas Kaeseler

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