19.05.2019 / Wort zum Tag

Gottes Blick

Kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.

Hebräer 4,13

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Als der Gerichtsvollzieher schellt, versteckt sich der Vater hinter dem Vorhang und schickt seinen Sohn an die Tür. Der soll sagen, sein Vater sei nicht da, sondern fortgegangen. Worauf der Gerichtsvollzieher antwortet: Bestell deinem Vater einen schönen Gruß und wenn er wieder fortgeht, dann soll er seine Füße auch mitnehmen.

Ja, so kurzsichtig wie der Vater in diesem Witz können wir auch gegenüber Gott sein. Wir meinen, ihn austricksen und alles vor ihm verbergen zu können, was er nicht sehen soll.

Aber im Hebräerbrief steht: „Kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.“

Nun, im Blick auf uns selbst ist der Gedanke zunächst unangenehm, dass wir vor Gott mit allen unseren Gedanken, Worten und Taten offenbar sind. Es gibt so manches, was wir gern ungeschehen machen würden und uns beschämt. Was wir nicht anschauen mögen und Gott am besten auch nicht sehen sollte.

Aber im Blick auf die Gemeinheiten und Ungerechtigkeiten der anderen finden wir es richtig und befriedigend, dass Gott sie zur Rechenschaft zieht. Unser Gerechtigkeitsgefühl verlangt das. Wir würden Gott Vorwürfe machen, wenn er seine Augen einfach davor verschließen würde.

Wenn wir aber von Gott Gerechtigkeit verlangen, wäre es ungerecht, wir würden uns ihr entziehen können.

Nein, das können wir nicht. Darum gilt es, zwei Konsequenzen daraus zu ziehen.

Erstens gilt es, offensiv mit unseren dunklen Seiten umzugehen. Gott ist ja in erster Linie Retter und nicht Richter. Als Retter hat er seinen Sohn in diese Welt gesandt und das Gericht Gottes über ihn am Kreuz hereinbrechen lassen. Weil Jesus sich als Stellvertreter dem Gericht Gottes ausgesetzt hat, gibt es für alle Freispruch, die die Versöhnungstat Jesu für sich in Anspruch nehmen.

Die Vergebung macht vor Gott tatsächlich das ungeschehen, was wir in unserem Leben nicht ungeschehen machen können. Es ist ausgelöscht. Das ist Freiheit schlechthin. Das ist Evangelium.

Zweitens gilt es, die Verantwortung vor Gott als Warnleuchte wahrzunehmen. Wort Gottes will uns davor bewahren, zu Fall zu kommen, weil es ein Richter unserer Gedanken und Wünsche des Herzens ist. 

Das Wort der Bibel will uns vor der Selbsttäuschung bewahren. Allzu leicht verwechseln wir unser Eigeninteresse mit dem Willen Gottes. Darum hilft uns die Bibel beides deutlicher zu unterscheiden. Damit sensibilisiert sie uns für die Impulse in unserem Herzen, die von Gott wegführen. Dann können wir ihnen rechtzeitig widerstehen und müssen gar nicht erst der Versuchung nachgeben.

Dass wir uns vor Gott nicht verstecken können, will uns helfen, wachsam zu bleiben. Und selbst wenn wir uns vor Gott verstecken könnten, wäre es dumm, es zu tun. Denn der gnädige Gott möchte uns in seiner Nähe haben. Bei ihm sind wir willkommen. Kommen wir darum zu ihm und verzichten auf sinnlose Fluchtversuche.

Autor/-in: Günter-Helmrich Lotz