25.02.2023 / Wort zum Tag

Gott verlangt Gehör

Höret des HERRN Wort! Der HERR rechtet mit denen, die im Lande wohnen; denn es gibt keine Treue, keine Liebe und keine Erkenntnis Gottes im Lande.

Hosea 4,1

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Ein Journalist hält einem Kardinal oder einer Bischöfin das Mikrofon vor den Mund und erbittet ihre Stellungnahme zu einer in der Bevölkerung umstrittenen Frage. Darin äußert sich immer noch die vage Erwartung, dass ein Gesichtspunkt Gottes zur Sprache kommen könnte. Wenn dann aber als Antwort zum Beispiel weitergegeben wird: ´Unter den gegebenen Umständen halte ich Waffenlieferungen an die Ukraine für vertretbar`, mag sich das überzeugend begründen lassen. Aber Gottes Wort ist es nicht.

Ich vergleiche damit z.B. den biblischen Propheten Hosea. Er beanspruchte zu seiner Zeit von sich aus öffentliche Aufmerksamkeit. Hosea 4, 1: „Hört des Herrn Wort!“ Der Prophet wollte entschieden als Sprachrohr Gottes dienen.

Wenn Gott ausdrücklich Gehör verlangt, liegt normalerweise etwas im Argen. Meistens bestätigt er nicht mehrheitsfähige, politisch korrekte Überlegungen. Nach Hosea nimmt er überhaupt nicht Partei. Er setzt eine Stufe tiefer an und fragt nach der Grundeinstellung aller Beteiligten.

„Hört! Der Herr rechtet mit denen, die im Lande wohnen.“ In einer anderen Übersetzung lese ich: Er führt einen „Prozess“ ( ATD 24/1,1983 ). Das gibt die Eindringlichkeit des hebräischen Urtextes am deutlichsten wieder. `Gott erhebt Anklage`.

Der Prophet fasst in drei Begriffen zusammen, was Gott an dem von ihm erwählten Volk zu bemängeln hat.

Die erste Klage lautet: „Es gibt keine Treue im Lande“; in anderen Übersetzungen lese ich: „keine Zuverlässigkeit“.

Ich denke an den Höhepunkt der Corona-Angst im vergangenen Jahr. Wer sich gegen eine Impfung entschied, wurde öffentlich als rücksichtsloser Egoist verurteilt und daraufhin in manchen Fällen von bisher guten Freunden und eigenen Familienangehörigen gemieden und verabscheut: er zeige keine Spur von Nächstenliebe. Sogar von Gottesdiensten wurden mancherorts Ungeimpfte ausgeschlossen. Die Meinung, Geimpfte würden das Virus nicht mehr übertragen können, erwies sich nachher als Fehleinschätzung.- Aber wie steht es um „Treue“ und Zusammenhalt trotz Meinungsverschiedenheiten, selbst in Familien und Glaubensgemeinschaften?

Die zweite Klage lautet: „Es gibt keine Liebe in diesem Land“. Das hier gebrauchte hebräische Wort wird sonst meist mit „Gnade“ übersetzt.

Täuscht sich, wer den Eindruck hat, dass auch wir Christen uns im Krieg das ´gnadenlose` Urteilen über ´den Feind` angewöhnt haben, das wir in politischen Kommentaren täglich zu lesen bekommen?

´Der Feind` muss ´besiegt`, ´gedemütigt`, ´bestraft`, wenn nicht vernichtet werden. Verständliche Erbitterung Angegriffener hat dazu geführt, dass keine Bereitschaft erkennbar ist, mit den Angreifern über Waffenruhe reden zu wollen.

Jesus jedoch sprach von „Liebe“ gegenüber „Feinden“.

Seiner Ansicht nach fällt also nicht nur die Feindlichkeit, sondern auch die Menschlichkeit der Gegner ins Gewicht. Wo man es empört von sich weist, ihre Anliegen auch nur zur Kenntnis nehmen zu sollen, scheint der Gesichtspunkt Gottes ausgeblendet zu sein.

Die Klage des Herrn lautet: „Es gibt keine Erkenntnis Gottes im Lande“. Spielt es bei der Verteidigung ´unserer Werte` keine Rolle, dass Gott Sünder retten will?

Die Verkündigung Jesu begann mit den Worten: „Tut Buße!“  Das heißt: Kehrt um! „Die Gottesherrschaft ist im Kommen“.

Autor/-in: Pfarrer i. R. Dr. Wolfhart Schlichting