21.12.2020 / Wort zum Tag

Gott nahe sein ist unser Glück!

Dies Volk naht mir mit seinem Munde und ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir.

Jesaja 29,13

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In drei Tagen ist Weihnachten. Auch wenn im vergangenen Jahr eine halbe Million Evangelische und Katholiken aus ihrer Kirche ausgetreten sind, dürften am Heiligen Abend die Gottesdienste vermutlich wieder gut besucht sein. Egal, ob virtuell oder real.

Als junger Vikar ärgerte es mich, dass immer so viele "U-Boot Christen" die Christvesper oder Christmette füllten. Sie waren ja nur nach dem Motto gekommen: „Alle Jahre wieder“, um dann wieder für ein Jahr unterzutauchen! Was ich davon hielt, habe ich ihnen deutlich, aber recht lieblos gesagt. Heute schäme ich mich dafür. Auch wenn ich mich damals auf Jesaja 29, Vers 13 hätte berufen können, in dem Gott Israel vorhält: "Dies Volk naht mir mit seinem Munde und ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir.“                                                              

Heute freue ich mich von Herzen, wenn ich an Weihnachten in der Kirche viele Menschen sehe, die ich sonst im Gottesdienst nicht sehe. Ob sie dazu die geheime Sehnsucht treibt: Weihnachten muss doch mehr sein als Christbaum und Geschenke, Festessen und Familientreffen?

Ja, es gibt einen Mehrwert von Weihnachten! Worin er besteht? Der Himmel kam da zur Erde. Gott kam uns ganz nahe! Schenkte der Welt seinen Sohn als Retter. Nur aus einem Grund: Damit diese Welt nicht verloren geht. Kein Mensch verloren ist. Auch Sie und ich nicht hoffnungslos verloren sind in der Welt des Todes. Was für eine Liebe!

Wie ernst es Jesus mit ihr war, hat er uns auf einem Hügel vor den Toren Jerusalems gezeigt. Dort bezahlte er die Schuld unseres Lebens – alles, was Sie und ich Gott und Menschen schuldig geblieben sind – an einem Kreuz mit seinem eigenen Leben.

Müsste eine solche Liebe nicht allen Menschen zu Herzen gehen? Unbegreiflicherweise ist dem nicht so! Viele verschließen Gott ihr Herz. Das kann auch in einem Gottesdienst geschehen, selbst an Weihnachten! Man singt die alten Weihnachtslieder. Doch man ist mit dem Herzen nicht dabei. Man singt sie als Gottesdienstliebhaber sogar auswendig. Aber ihre Worte gehen nicht mehr zu Herzen. Sie sind zu reinen Lippenbekenntnissen verkümmert – ohne Freude über Weihnachten.

Obwohl man gerade in "Stille Nacht, Heilige Nacht" singt: „Christ, der Retter, ist da!“ Oder in „O du fröhliche, o du selige“ gerade singt: "Christ ist erschienen, uns zu versühnen“ – nämlich mit Gott! Könnten wir das wieder zur Ehre Gottes fröhlich und freudig singen lernen?

Ich denke an ein Krippenspiel mit drei Erwachsenen in den Hauptrollen. Jeder von ihnen soll dem Jesuskind etwas mitbringen, das ihm ganz wichtig ist und ein paar Worte dazu sagen. Mir ist der Dritte von ihnen unvergesslich. Der Mann hatte nur ein Blatt Papier in der Hand, legte es in die Krippe und sagte: „Ich wollte zuerst überhaupt nicht mitmachen; meine Hände sind leer wie dieses Blatt. Mein Herz ist voller Sehnsucht nach Glück, voll Unruhe, Suchen und Zweifel. Ich habe die Hoffnung, Kind in der Krippe, dass du kamst, um uns etwas zu bringen. Ich bin leer, aber mein Herz ist bereit zu empfangen.“

Wer so mit leeren Händen und einem leeren Herzen zu Jesus kommt – ob in einem normalen Sonntagsgottesdienst oder in einem festlichen Weihnachtsgottesdienst – dessen Herz ist nicht fern von Gott. Ihm kommt Gott ganz nahe!

David, der große König Israels, konnte davon in Psalm 34 ein Lied singen: „Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“ Schalten wir daher in jedem Gottesdienst bei Jesus auf Empfang, damit er uns Freude, Trost und Geborgenheit bringt. Und jeder von uns mit Psalm 73 dankbar bezeugen kann: „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“

Autor/-in: Pfarrer i. R. Gerhard Weinreich