15.08.2022 / Wort zum Tag

Gott groß machen

Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.

Lukas 1,46–47

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„Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes“ so heißt es im Lehrtext der Herrnhuter Brüdergemeine aus dem Lukasevangelium, Kapitel 1, die Verse 46–47.

Es sind die Anfangsworte eines der großartigsten Lieder der Menschheitsgeschichte. Maria singt sie, betend.

Ihrem Lied ist ein besonderes Ereignis vorangegangen. Maria hat die Botschaft durch den Engel Gabriel empfangen: Du wirst ein Kind bekommen, das Sohn des Höchsten genannt wird und auf Davids Thron für immer herrschen wird.

So antwortet Maria ergriffen von der Vorfreude auf die Geburt ihres Sohnes mit dem berühmt gewordenen Magnificat, wie dieses Lied nach dem lateinischen Anfangswort genannt wird.

Magnificat – ins Deutsche übersetzt „meine Seele macht Gott groß, hält große Stücke von Gott.“Maria singt und kündet von Gottes großen Taten. Ihre Worte nehmen Verheißungen aus dem Alten Testament auf. 

Es klingt an, dass Gottes Name heilig ist. Seine Barmherzigkeit gilt denen, die ihn fürchten. Diejenigen, die Macht haben und hochmütig sind, können sich nicht in Sicherheit wiegen. Von der Erwählung Israels lässt Gott nicht ab.

Diese Aussagen finden sich an vielen Stellen des Alten Testaments und werden hier zusammengefasst. Aus den vielen Stimmen wird ein harmonisches Lied.

Es entspricht ganz und gar unserer menschlichen Sehnsucht, in dieses Lied mit einzustimmen. Wir wünschen uns, dass negative Lebensumstände beseitigt werden. Ein verständlicher Wunschgedanke...

Doch sogleich erhebt sich die kritische Stimme in uns, ob das denn wirklich sein kann. Maria preist Gott für seine Taten. Aber benötigt Jesus dazu nicht die erforderliche weltliche Macht?

Doch Jesus kam nicht in einem Palast auf die Welt. Er wirkte auch nicht auf dem Thron Davids als ein Herrscher, der mit Macht die Umstände seiner Zeit verändert hätte. Vielmehr wird er in Armut in einer Krippe geboren und erleidet am Ende die Ohnmacht des Kreuzes.

Nichts scheint sich zu ändern in dieser Welt, wie wir es gerade erschreckend im Krieg in der Ukraine erleben. Die Mächtigen machen die Kleinen nieder.

Bis heute ist Marias Lied ein Lied der Ermutigung. Ein Lied, das uns lehrt, nach den Wurzeln vieler Übel zu fragen und Armut und Erniedrigung nicht als unveränderliches Schicksal hinzunehmen.

Gott stellt die Verhältnisse revolutionär auf den Kopf! Gott erwählt das, was arm und gering ist.

Er erhebt die Erniedrigten, er zerstreut, die hochmütig über anderer Leute Leben entscheiden und sammelt die Schwachen zu einer anderen, neuen Stärke, dass sie ermächtigt werden zum Leben und Lebendig sein.

Maria spürt, dass die Niedrigkeit ihres Menschseins nicht mehr zählt, sondern erwählt wird. Deshalb preist sie Gott mit hellem Jubel.

Der Liederdichter Jürgen Henkys übersetzt es in seiner Nachdichtung des Magnificat: Gottes Lob wandert, und Erde darf hören. Einst sang Maria, sie jubelte Antwort. Wir stehn im Echo der Botschaft vom Leben: Den Herrn preist meine Seele. Ich freue mich, dass er mein Retter ist. Der Hohe schaut die Niedrige an.

Die Botschaft vom Leben, wie sie in Marias Lied besungen wird, findet ein Echo in uns. Wir spüren, dass es einen tieferen Grund im Leben gibt, der uns trägt.

Wir erkennen, wie Gott barmherzig ist, mit denen, die ihm die Ehre geben. Seine Barmherzigkeit findet einen Nachklang in unserer Dankbarkeit. Dann verachten wir das Geringe nicht, sondern schätzen es. Wir kommen erst gar nicht in die Versuchung, hochmütig zu werden.

Gottes Lob wandert durch die Welt und zieht bei uns ein.

Autor/-in: Jürgen Schweitzer