09.09.2023 / Wort zum Tag

Gott gibt nicht auf

Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.

Römer 11,29

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„Du musst eine Berufung haben. Das ist eine ernste Sache“, sagt der 80jährige amerikanische Regisseur italienischer Abstammung Martin Scorsese. Eigentlich wollte er Priester werden, aber dann sah er seine Berufung darin, Regisseur zu werden und sich religiösen Themen zuzuwenden.  Dazu hat der Starregisseur auch die nötige Begabung. Als Christ weiß er, Gaben und Berufung kommen von Gott.

Das hat auch der Apostel Paulus in seinem Leben entdeckt. Nun macht er sich Gedanken um sein jüdisches Volk. Diese Frage lässt ihn nicht mehr zur Ruhe kommen: Was ist aus denen geworden, die ich kenne? Wir haben doch als Jugendliche und Studierende zusammen den Gottesdienst in der Synagoge gefeiert – und nun stehen wir uns feindlich gegenüber, weil ich in Jesus den Messias erkannt habe, auf den wir so lange gewartet haben, denkt er. Diese Gedanken lassen ihn nicht los. Er weiß doch, Israel ist und bleibt das auserwählte Volk Gottes. Und dann schreibt Paulus den Satz: Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (Römer 11,29).

Ich muss gestehen, dass die Gedanken des Paulus auch mich sehr nachdenklich machen. Was ist aus meinen Schulkameraden geworden, mit denen ich den Religionsunterricht besucht habe? Was ist aus meinen Mitkonfirmanden und Mitkonfirmandinnen geworden, die mit mir in Gottes Wort unterrichtet wurden? Haben viele nicht Gott vergessen, haben manche sogar vergessen, dass sie Gott vergessen haben? Und wenn ich ehrlich bin, muss auch ich mich fragen: danke ich Gott wirklich immer wieder für die Berufung und die Gaben, die er mir geschenkt hat und immer wieder neu schenkt? 

Es ist tröstlich zu wissen, dass Gottes Gaben und Berufung ihn nicht gereuen. Paulus selbst, der sich gegen Christus gewandt hat und seine Anhänger grausam verfolgte, ist das lebendige Beispiel dafür, dass Gottes Erbarmen stärker ist als aller Unglaube. Der auferstandene Jesus Christus ist so massiv damals in Damaskus in sein Leben eingedrungen, dass er schlagartig nicht anders konnte und Jesus Christus nachfolgte. Deshalb gibt Paulus die Hoffnung für sein Volk und auch uns nicht auf. Er weiß ja aus eigener Erfahrung: Gott gibt uns nicht auf, er geht uns nach und möchte uns bei sich haben. Deshalb geben auch wir diese Hoffnung nicht auf. Wir wollen anderen nachgehen und ihnen Gottes Liebe bezeugen mit Wort und Tat. Jesus hat uns, seinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen, den Auftrag gegeben, die rettende Botschaft von Gottes Gnade und Liebe zu verkünden. Im Alltag, in der Familie, in der Arbeitswelt oder wo auch immer.

Gerhard Tersteegen, der Mystiker vom Niederrhein, hat es 1735 so ausgedrückt:

Gott rufet noch. Sollt ich nicht endlich kommen?
Ich hab so lang die treue Stimm vernommen.
Ich wusst es wohl: Ich war nicht, wie ich sollt.
Er winkte mir, ich habe nicht gewollt.

Gott rufet noch. Ob ich mein Ohr verstopfet,
er stehet noch an meiner Tür und klopfet.
Er ist bereit, dass er mich noch empfang.
Er wartet noch auf mich; wer weiß, wie lang?

Autor/-in: Superintendent i. R. Rainer Kunick