07.11.2016 / Wort zum Tag

Glaube ist keine Privatsache

Es lasse ab von Ungerechtigkeit, wer den Namen des Herrn nennt.

2. Timotheus 2,19

Ich bin der HERR, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden.

Jeremia 9,23

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Im 2. Timotheusbrief heißt es: Es lasse ab von Ungerechtigkeit, wer den Namen des Herrn nennt (2. Tim 2,19). Für mich bedeutet das: Glaube ist keine Privatsache. Gerade christliche Überzeugungen sollen nicht nur das eigene Leben, sondern unsere Gesellschaft zu einer Gemeinschaft formen, die dem Einzelnen Freiheit und gleiche Rechte gewährt.

Schwer beeindruckt hat mich in dieser Hinsicht das Leben von William Wilberforce. Er war ein britischer Politiker, der sich zeitlebens unbeirrbar für die Menschenrechte eingesetzt hat. Äußerlich unscheinbar, aber hochintelligent und gebildet – Cambridge Absolvent – wurde er bereits mit 21 Jahren als Abgeordneter ins britische Unterhaus gewählt. Das war 1780. Vier Jahre später unternahm er eine Reise auf den europäischen Kontinent. Dort schloss er Bekanntschaft mit Frauen und Männern der Erweckungsbewegung, mit Pietisten, mit Methodisten, mit Quäkern und anderen frommen Kreisen. Das hat ihn und sein politisches Leben nachhaltig verändert. Er sah, wie diese Bewegungen nicht nur ihre Frömmigkeit pflegten, sondern sich mit allem, was sie aufbringen konnten, für die Schwachen und Benachteiligten in der Gesellschaft einsetzten.

Mit seiner neuen Glaubenserfahrung hat sich für ihn damals ein Kreis geschlossen. Schon in seiner Kindheit ist Wilberforce dem ehemaligen Sklavenhändler John Henry Newton begegnet. Newton hatte sich durch ein Erweckungserlebnis zum entschiedenen, christlich motivierten Gegner der Sklaverei gewandelt und viele geistliche Lieder gedichtet. Das bekannte Lied „Amazing Grace“ zu Deutsch „Erstaunliche Gnade“ stammt von ihm. Diese frühe Begegnung mit Newton und jetzt seine eigene geistliche Erweckung sollten das politische Leben von William Wilberforce neu ausrichten.

Er wollte die Gesellschaft verändern und gegen die verrohten Sitten angehen. Dazu erarbeitete er 1787 seine „Proclamation Society“, um Anstand und Frömmigkeit wieder zur Geltung zu führen und zuallererst den Sklavenhandel abzuschaffen. 1789 brachte er diese Erklärung unterstützt vom damaligen Premierminister und ehemaligen Studienfreund William Pitt als Gesetzesvorlage ins Parlament ein. Der Antrag scheiterte grandios. Wilberforce wollte schon seinen Rücktritt einreichen, aber Freunde, unter anderem Newton, ermutigten ihn, keinesfalls schon aufzugeben. Wilberforce machte weiter. Jahr für Jahr, nur mit einer kurzen Unterbrechung, brachte er den Antrag wieder und wieder ein.

John Wesley, der reisende Gründer und Prediger der Methodisten schrieb ihm im Februar 1791 – sechs Tage vor seinem Tod: „Sie werden von Menschen und Teufeln angefeindet werden. Aber wenn Gott für Sie ist, wer kann Ihnen dann etwas anhaben? Verzagen Sie nicht an Ihrem guten Werk, machen Sie in Gottes Namen und in seiner Vollmacht weiter, bis [auch] die amerikanische Sklaverei endet – diese schlimmste Erscheinung, die es je unter der Sonne gegeben hat“.

Erst 1807, nach 18 Jahren Kampagnen und Kampf hatte Wilberforce in Großbritannien Erfolg. Der Sklavenhandel war von nun an im britischen Machtbereich in Afrika verboten und Sklavenhändler wurden wie Piraten bestraft. Wilberforce war damit aber noch nicht zufrieden. Auf dem Wiener Kongress versuchte er von 1814 bis 1815 auch die anderen europäischen Mächte zu überzeugen. Spanien, Portugal und Frankreich schlossen sich an. Aber mit dem Verbot des Sklavenhandels war die Sklaverei an sich ja noch nicht abgeschafft. So setzte er sich fortan für deren komplette Beseitigung ein. Das dauerte noch viele weitere Jahre und forderte seine ganze Lebenskraft. Zu der ihm oft gestellten Frage, die ihn auch selbst umgetrieben hat, warum er nicht in den vollzeitigen geistlichen Dienst gewechselt hat, schrieb er in seinem Tagebuch: „Mein Weg ist ein öffentlicher Weg. Mein Geschäft ist in der Welt; und ich muss mich unter die Menschen mischen…“

1833, drei Tage nachdem die Sklaverei in Großbritannien endgültig abgeschafft wurde, verstarb William Wilberforce. Heute sind Sklavenhandel und Sklaverei weltweit geächtet. Alles gut? Leider nicht. Gerade in Europa und besonders in unserem Land lebt der Menschenhandel neu auf. Wer steht heute dagegen auf? 

Autor/-in: Kirchenrat Dan Peter