12.03.2023 / Wort zum Tag

Gelassen abhängig

Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.

Philipper 2,13

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„Gott ist es, der beides in euch wirkt: das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.“   

Der Apostel Paulus beschreibt der Christengemeinde in Philippi vorbildliche christliche Gesinnung. Er zählt solche Maßstäbe auf wie: liebevoller Zuspruch, herzliches Erbarmen, eines Sinnes sein, keine Selbstsucht zeigen, keinem falschen Ehrgeiz folgen, bereit sein, dem anderen den Vortritt zu lassen, darauf zu achten, was der andere braucht, auch wenn es bedeutet, den eigenen Vorteil loszulassen.

Weil ich vorher in V. 2 las: „so macht meine Freude vollkommen“ hatte ich anfangs fast den Verdacht, Paulus schreibt sein ganz persönliches Wunschdenken auf.  Dieser Katalog von Erwartungen lässt mich geradezu verkrampfen. Steht das dort nur für die Christen in Philippi, oder lese ich das in meiner Bibel, damit ich das übernehme? Völlig entmutigt will ich dem Paulus sagen: deine christlichen Ideale sind komplett überhöht, das ist nicht möglich!“ Und es kommt mir vor, als unterbräche mich Paulus, fällt mir ins Wort und ich lese seinen Satz: „Denn ihr sollt so gesinnt sein, wie Jesus Christus es auch war.“ Philipperbrief, Kapitel 2, Vers 5. 

Es ist nicht die Idee von Paulus, er gibt weiter, was er von Gott empfing. Und mein Protest wird stärker: Lieber Paulus, ich kann aber nicht so sein wie Jesus. Bin ich Jesus? Dennoch fasziniert mich dieser Bibeltext. Paulus war von Jesus Christus so ergriffen, dass er eben über ihn schrieb. Jesus: Er hatte es nicht nötig, sich an dem festzuklammern, was er hatte und war. Er gab sein Ansehen auf und seine Ehre los. Mit seinem Menschsein machte er sein Gottsein sichtbar. Seine Größe zeigt er darin, dass er klein wurde. Er wurde der Herr, indem er als Knecht diente. Er schuf einen Weg zum ewigen Leben, indem er starb. Krasser und eindrücklicher kann ich von dem heruntergekommenen Gott nicht reden. Verwechselbar mit jedem anderen, wurde er unverwechselbar, einmalig, weil es ihm nur um eines ging: Gottes Ehre sichtbar werden zu lassen. Er brachte bei den Menschen Gottes Liebe zur Sprache. Er bewirkte bei Menschen, dass sie anfingen, Gott zu loben und zu lieben.

Mein innerer Aufruhr weicht der Bewunderung. Größe zeigen, in dem ich klein werde. Nicht als Knecht mich den Menschen unterwerfen, sondern als Diener ihnen beistehen. Das war die Art von Jesus. Herabgestiegen zur Größe. Inmitten einer verdrehten und verkehrten Welt würde auf diese Weise ein Licht der Hoffnung aufleuchten (Phil.2,15). Ich stehe plötzlich zwischen Sehnsucht und Resignation. Ja, ich sehne mich danach, dass es so wäre und ja, ich resigniere. Selbst wenn ich das will, ich schaff das niemals. Genau in diesen garstigen Riss, zwischen einerseits und andererseits, leuchtet mir folgender Satz entgegen: “Gott bringt euch dazu, dass ihr nicht nur so handeln wollt, wie es ihm gefällt. Er sorgt vielmehr dafür, dass ihr es auch könnt.“  Philipperbrief, Kapitel 2, Vers 13 BasisBibel 

Das ist es! Ein Aufbruch zu fröhlicher Gelassenheit und mutiger Abhängigkeit.  Die fröhliche Gelassenheit, still zu halten und Gott an mich ranzulassen. Vielmehr, seine Worte in mich reinzulassen. Ich erwarte die Veränderung von innen. Ich muss nicht sein wie Paulus oder Jesus oder Gott. Ich darf das sein, was er aus mir hat werden lassen - Fröhliche Gelassenheit. Aber in dem Satz steckt auch Mut zur Abhängigkeit. Ich muss nicht mehr tun, als wozu er die Kraft gibt. Und die Kraft, die er gibt, reicht aus. Gott gibt nie zu wenig. Ich muss nicht Quelle sein, nur Brunnen. Nicht aus mir muss ich das schöpfen, was meine Mitmenschen brauchen. Ich darf mutig weitergeben, was ich von Gott habe. Abhängig zu sein von ihm, schafft Gelassenheit, für ihn da zu sein. Das Wollen, das er in mir vorbereitet, erfüllt er mit Kraft. So kann ich das tun, was ihm dient und den Menschen hilft. So verstehe ich das Wohlgefallen Gottes, von dem Paulus schreibt. Die Taten, die er mir ermöglicht, werden wie ein Licht sein für die Menschen, damit sie lernen Gott zu loben. (Matth.5,16)

Autor/-in: Pfarrer Martin Hüfken