18.11.2022 / Wort zum Tag

Geduld und Ausdauer

Nehmt euch ein Beispiel an denen, die Vertrauen und Ausdauer bewahrt und darum empfangen haben, was Gott versprochen hat.

Hebräer 6,12

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Ich sehe mir gerne Naturfilme an, und liebe dabei den „Zeitraffer“: wenn die Wolken jagen über die Rocky Mountains; Blumen wachsen pfeilschnell in die Höhe, öffnen sich, schließen sich - - - So schnell sieht man das Ergebnis! Wenn es im Alltag doch auch so schnell ginge - Arbeiten ist manchmal so mühsam.

Ja, ich weiß: hinter den schönen Zeitraffer-Filmchen steht die Geduld und Ausdauer eines Fotografen, der jeden Tag zur gleichen Zeit einen kurzen Ausschnitt aufnimmt: täglich dran bleiben, zusammenschneiden; der hat ja doch ziemlich viel Vertrauen und Ausdauer.

Immer wieder fällt mir ein Satz von Pfarrer Konrad Eißler ein, der so treffend Wahrheiten formulieren kann – und danach gefragt, wie er das so hinkriegt, sagt er: „Ich bin der schwäbische Ackergaul! Das fällt mir nicht so zu!“ Ist er auch einer von denen, die „Vertrauen und Ausdauer bewahren und darum empfangen, was Gott versprochen hat“? Geduldig Furche um Furche ziehen, und wieder zurück zum Anfang…

Für mich ein ermutigendes Beispiel für: „Bleib dran, auch wenn es mühsam ist, Vertrau! Du kriegst das hin! Gott hält Wort, und wenn er dir einen Auftrag gibt, dann schafft Ihr beide das auch!“

So wie auch Abraham vor über 3000 Jahren, der dranblieb – trotz seiner Ängstlichkeit, seinen Irrwegen: Gott kriegte das hin mit ihm! Gott hielt Wort! Es dauerte – nach dem glaubenslosen Versuch mit Ismael - ganze 13 Jahre, bis er endlich den verheißenen Sohn Isaak bekam. 13 Jahre!

Ich mag es gerne leicht und schnell: ich bin das neunte Kind meiner Eltern, und meine Geschwister haben mir immer die Wege gebahnt; wusste ich nicht, wie man sich an der Universität einschreibt, wie man Bafög bekommt – das wusste sicher einer von ihnen, und ich trabte zu der Stelle und holte die Formulare und es war ganz einfach!

Ja, manchmal hat es auch genervt, wenn die anderen immer schon alles wussten und mir ungebeten Ratschläge gaben; ich wollte schon gerne „alleine groß“ sein.

Da ist es doch wunderbar, wie Gott die richtige Mitte trifft: er trägt mich nicht zu meinen Aufgaben, er gibt mir die Freiheit, aber er bleibt dann dabei; er gibt mir nicht das Gefühl, ein dummes kleines Mädchen zu sein, dem der große Bruder großzügig zeigt, wie es geht.

Vertrauen! Vertrauen zu Gott - und Vertrauen auch zu mir – Selbstvertrauen! Keine Panik, wenn es nicht gleich klappt - Es liegt ja nicht alles an meiner Leistung, und ich muss auch nicht supergut sein, eine Heldin; ich darf Mittelmaß sein. Empfangen heißt beschenkt werden, bei Gott wird man beschenkt!

Ich denke an eine Schnecke – sie kriecht im Schneckentempo voran, aber immerhin drei Meter in der Stunde, das sind 25 Meter in einer Nacht! Liegt ihr Erfolg nicht auch darin, dass sie Pausen macht? Sie kriecht in ihr Schneckenhaus zurück, wenn etwas im Weg steht; aber sie kommt wieder hervor, eine kleine Wendung, nochmal zurück, wieder eine Wendung – und dann kriecht sie entweder an der Mauer vorbei oder überwindet die Mauer nach oben. Im Sich-Verkriechen schöpft sie Kraft – so wie ich es tue, wenn ich auf dem Sofa eine Runde bete oder morgens Bibel lese und Tagebuch schreibe. Trotz meiner Ungeduld und dem Ankommen-Wollen: diese Pausen verbinden mich mit meinem Schöpfer, ich sage ihm oft auch meinen Frust – und ja: eigentlich sind diese Minuten wunderschön, auch wenn ich da noch keinen Erfolg sehe.

Wo will ich heute geduldig sein und Ausdauer haben? Im Abarbeiten der E-Mails? Im Zuhören? Bei der Hausarbeit? Geduldig weiterbeten für einen Menschen, geduldig mitgehen – „die zweite Meile“, wie Jesus das nennt, wenn ein Mensch länger braucht; aber nicht die 15. Meile, da gibt es schon eine Grenze bei der Geduld… Vertrauen zu Menschen ist nicht immer gerechtfertigt; aber Vertrauen zu Gott schon: er ist unbedingt verlässlich!   

Autor/-in: Pfarrerin Renate Schmidt