19.06.2022 / Wort zum Tag

Gedanken zur Tageslosung

Paulus sprach: Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muss im Gedenken an das Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.

Apostelgeschichte 20,35

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Im Wort für den heutigen Tag hören wir Worte, die der Apostel Paulus bei seiner Verabschiedung aus der Gemeinde in Ephesus den dortigen Verantwortlichen mit auf den Weg gab: „Mit meiner ganzen Lebensführung habe ich euch gezeigt, dass wir Arbeit und Mühe nicht scheuen dürfen; denn dann können wir den Bedürftigen helfen, wie es unsere Aufgabe ist.

Denkt immer an die Worte, die Jesus, der Herr, selbst gesagt hat: ›Auf dem Geben liegt ein größerer Segen als auf dem Nehmen.“ Was für ein Impuls für praktische Nächstenliebe!

Paulus stellt klar: Es ist unsere Aufgabe, Bedürftigen zu helfen. Er bezieht sich auf ein Jesuswort, das uns nicht in den Evangelien überliefert ist. Was gebe ich da weg? Gebe ich etwas her, was mir gehört?

Unser Leben mit allem, was dazugehört, ist uns in Wahrheit nur anvertraut. Wir sind von Gott eingeladen und beauftragt, es in der bewussten Abhängigkeit von Gott zu gestalten. Was für eine Riesenherausforderung! Unsere Fähigkeiten, unser Denken, unsere Zeit, unsere Kinder und unsere Eltern, unsere Freunde und Kollegen, unser Besitz … alles ist uns nur anvertraut.

Wir dürfen und sollen es gestalten. Wir sind nicht die Besitzer, sondern die Verwalter. Das heißt, unsere Aufgabe ist es, mit dem uns Anvertrauten im Gottes Sinne umzugehen. Dazu gehört auch, das Leben selbst zu genießen. Jedem von uns sind täglich 24 Stunden zur Verfügung gestellt. Wir können diese Zeit füllen und müssen das auch. So oder so. Nach 24 Stunden sind sie vorbei. Kann es sein, dass wir häufig Raubbau mit unserer Zeit betreiben? Wir versuchen, möglichst viel darin unterzubringen und spüren doch, dass damit anderes verloren geht. Es gehört heute Mut dazu, manches sein zu lassen. Wer sich aber auf diesen Weg einlässt, wird ein Stück Lebensqualität wiederentdecken - für sich selbst und für andere.

Die Perspektive der Ewigkeit ist hilfreich für die Frage nach unserer Lebensgestaltung.

In Psalm 90,12 heißt es: "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." Vom Ende her denkend, fällt es uns leichter zu fragen: Was ist wirklich wichtig?
Auch Menschen sind uns anvertraut. Wir begegnen heute jede Woche so vielen Menschen, wie ein Mensch zu Luthers Zeiten im ganzen Leben. Durch unsere Mobilität haben wir heute viele Kontakte, aber manchmal weniger echte Begegnungen.
Vieles ist für uns selbstverständlich: ein Dach über dem Kopf, die Kleidung, genügend Essen, Wasser … Erst wenn es uns fehlt, wird uns bewusst, wie gut wir eigentlich bisher gelebt haben. Vielleicht sollten wir das Tischgebet, das etliche von uns kennen, wieder bewusst bedenken: "Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Gott, von dir …"

Ja, alles, was wir haben, kommt von Gott. Er hat es uns alles anvertraut, damit wir verantwortungsvoll damit umgehen. Jetzt verstehen wir auch besser, warum Geben seliger ist als Nehmen. Wenn ich etwas nehme, das mir nicht gehört, dann eigne ich es mir unrechtmäßig an. Wenn alles, was wir haben, uns von Gott nur anvertraut ist, dann steht es mir nicht zu, völlig nach Belieben darüber zu verfügen. Vielmehr muss ich im Sinne des Besitzers, des Eigentümers damit umgehen.

Eigentümer ist Gott. Deshalb ist das, was er will, der Maßstab, wie ich mit den Gaben, die mir anvertraut sind, umgehe. Gottes Wille ist der eine Grund, warum Geben seliger ist als Nehmen. Der zweite Grund liegt im Wesen Gottes.

Es gehört zu den Wesensmerkmalen Gottes, zu seinen "Charaktereigenschaften", dass er gibt. Gerne gibt. Gerne viel gibt. Johann Scheffler (1624-1677), der "schlesische Bote", drückt es einmal so aus: "Gott, weil er groß ist, gibt am liebsten große Gaben, ach, dass wir Armen nur so kleine Herzen haben."

Gott gibt, weil er liebt. Gott gibt alles, sogar seinen eigenen Sohn. Im Johannes-Evangelium heißt es: "Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht.“

Paulus fragt deshalb: "… wie sollte uns Gott mit ihm, mit Jesus, nicht alles schenken?" (Römer 8,32b). Wenn aber Gottes Wesen darin besteht, dass er gerne gibt, dann ist das auch das Vorbild für uns Menschen, die wir nach Gottes Ebenbild geschaffen sind. Christen leben in der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott.

Deshalb wollen und sollen sich Christen auch im Geben Gott selbst zum Vorbild nehmen.
Denken wir daran: Es geht beim Geben nicht nur um unser Geld, sondern genauso um unsere Zeit, unsere Kraft, unsere Fantasie, unsere Talente und vieles mehr.

Wer die Freiheit zum Geben entdeckt, der wird selbst dadurch reich beschenkt. Es macht einfach Freude, anderen eine Freude zu machen! Deshalb nehme ich mir vor: ,,Ich will keinen Tag zu Ende gehen lassen, an dem ich nicht jemand eine Freude gemacht habe".

Autor/-in: Pastor Harry Moritz