14.09.2015 / Wort zum Tag

Gedanken zur Tageslosung

Du wirst mich nicht dem Tode überlassen.

Psalm 16,10

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„Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens.“ – Das zu bedenken, kann Angst machen.  So ein Satz erinnert uns daran, dass uns Lebenszeit nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Niemand weiß, wie groß der Rest an Lebenszeit ist. Er könnte kleiner sein, als wir hoffen und uns wünschen. Wir wissen es – auch wenn wir es nicht immer wahrhaben wollen: unser Leben ist ein Leben, das auf den  Tod zugeht. Schon vom ersten Atemzug unseres Lebens an läuft es auf das Sterben zu. Das gilt für alle Menschen – ohne Ausnahme. Und es ist unabhängig von dem, was uns sonst oft so unterschiedlich macht – das Geschlecht, die Herkunft, Begabungen und Fähigkeiten, Bildung, Beruf, Besitz…  „Alle Menschen müssen sterben…“ wie es in einem alten Choral heißt. Und es ist nicht jedem Menschen vergönnt, alt und lebenssatt zu sterben. Wir wollen leben – möglichst lange, am besten für immer. Darum schieben viele Menschen den Gedanken ans Sterben – und insbesondere ans eigene Sterben – möglichst weit hinaus. Es wird verdrängt, und holt uns dann vielleicht schneller ein, als uns lieb ist.

Nun heißt es  im Psalm 16, in einem Gebet: „Du wirst mich nicht dem Tode überlassen.“  Wie kann  der Psalmbeter so etwas behaupten und bekennen, was doch nicht nur scheinbar, sondern ganz offensichtlich aller Lebenserfahrung widerspricht? Dieses Bekenntnis strahlt Zuversicht und Gelassenheit aus. Und wenn wir dieses Wort in seinem Zusammenhang lesen, dann erfahren wir, dass diese Gewissheit Freude auslöst und geradezu fröhlich macht. Da ist nichts zu spüren von der Angst über der ablaufenden Lebenszeit, dem Rest des Lebens der immer kleiner wird. In diesem Psalm spiegeln sich Lebenserfahrungen des Königs David wider. Er hat es nicht nur einmal erlebt, dass man ihn töten wollte – und er wurde doch immer wieder bewahrt. Gott hat ihn geschützt und bewahrt. „Du wirst mich nicht dem Tode überlassen.“ Das sagt er nicht zu seinem Leibarzt oder irgendeinem Facharzt, sondern das bekennt er Gott gegenüber.

Ich weiß es nicht, wie er es sich genau vorgestellt hat – das Leben, das dem Tod nicht überlassen bleibt.  Die Worte des Psalmbeters bekommen für mich vor dem Hintergrund des Lebens und vor allem der Auferstehung Jesu noch einmal eine ganz neue und tiefe Bedeutung. An seiner Auferstehung ist deutlich geworden, dass die Macht des Todes nicht endgültig ist. Und Jesus hat seinen Jüngern versprochen: „ich lebe und ihr sollt auch leben!“ – Für mich persönlich sind in diesem Zusammenhang zwei biblische Abschnitte besonders wichtig geworden. Der Apostel Paulus schreibt am Ende von Römer 8, dass uns nichts und niemand von der Liebe Gottes trennen kann, die in Jesus Christus ist.  Auch nicht der Tod. Darum bin ich gewiß und vertraue darauf: so, wie Gott Jesus Christus nicht dem Tod überlassen hat, wird er auch mich nicht dem Tode überlassen. (Mein Leben und Sterben ist geborgen in Gottes Liebe, die auch über das Sterben hinaus Bestand hat und durch das Sterben nicht beendet wird. Da, wo all unsere Liebe zueinander an eine unüberwindbare Grenze kommt, ist Gottes Liebe längst noch nicht am Ende.) cut, wenn zu lang!

Ich weiß es nicht, wie Gott das machen wird – den Tod überwinden. Eine  Stelle aus den Abschiedsreden Jesu im Johannes-Evangelium hilft mir. Jesus hat seinen Jüngern versprochen, dass es „im Hause seines Vaters“ – bei Gott – viele „Wohnungen“ gibt und dass er hingeht, um für seine Jünger die „Wohnungen“ vorzubereiten. Das  heißt: ich habe ein Zuhause bei dem himmlischen Vater - bei Gott. Ein Zuhause, das sich nicht mit meinem Sterben in Wohlgefallen auflöst und sich als „fromme Seifenblase“ erweist. Ja, wer im Leben seine Heimat bei Gott gefunden hat, der wird im Sterben nicht heimatlos werden. „Du wirst mich nicht dem Tode überlassen.“ – Darum konnte auch Pfr. Dietrich Bonhoeffer am 9. April 1944 als er zur Hinrichtung geführt wurde, einem Mitgefangenen sagen: „Dies ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens.“ Wir leben nicht dem Ende entgegen, sondern auf das Leben zu, das Gott schenkt und das nicht mehr vom Tod begrenzt wird.

Autor/-in: Pfarrer Jürgen Barth