06.09.2015 / Wort zum Tag

Gedanken zur Tageslosung

Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch.

Matthäus 10,8

Wir verkündigen dem kommenden Geschlecht den Ruhm des HERRN und seine Macht und seine Wunder, die er getan hat.

Psalm 78,4

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Das waren wertvolle und schöne Stunden meiner Kindheit, als ich in den Nachkriegsjahren meinen Großeltern und Eltern beim Erzählen über die Vergangenheit zuhören durfte. Es waren spannende Geschichten, reich an Erfahrungen von Freud und Leid, von Bewahrung und Entbehrung, von Gewinn und Verlust, von Glück und Unglück, von Wundern und Fragezeichen. Und völlig selbstverständlich sprachen sie dann so nebenbei auch von ihrem Gottvertrauen, ihrer Glaubensfreude und ihren Erfahrungen mit Gott. Das ist mir in Erinnerung geblieben, weil es nicht fromm gespielt, sondern echt und authentisch war.

Als ich älter und verständiger wurde, kamen dann zu den Erzählungen auch die Deutungen, Erkenntnisse und Einsichten meiner Eltern und Großeltern hinzu. Vor allem bei meinem Grossvater habe ich als Student gestaunt, wie er aus der großen Weltgeschichte und aus den vielen kleinen Geschichten von Menschen mit Hilfe der Bibel Lebensweisheiten entwickelt hat. Und er hat mir dann oft sehr eindrücklich belegen können, was Gott segnet und was nicht!

Geschichten erzählen und Erfahrungen weitergeben, Erlebnisse miteinander teilen und ihre Bedeutung diskutieren – das hat die Menschen schon immer miteinander verbunden. Nicht erst in moderner Zeit breiten Menschen ihre kleinen und großen Freuden, ihre Lebensbilanz oder Geschichtsdeutung in Büchern und Medien aus. Besonders bekannt ist die jahrtausendealte Erzählkunst im Orient, die auch in Israel noch bis heute an den jüdischen Festen gepflegt wird – wie zum Beispiel am Passahfest.

Unser Tageswort gehört zu solch einer langen Erzählung, genauer zu einem Lehrgedicht. Es erzählt die bisherige Geschichte des noch jungen Volkes der Israeliten bis in die Zeit von David, des zweiten Königs um 1‘000 vor Christus.

Zu Beginn erklärt der Dichter und Sänger Asaph, was er methodisch tun will:

„Wir verkündigen dem kommenden Geschlecht, also den folgenden Generationen den Ruhm des Herrn und seine Macht und seine Wunder, die Er getan hat!“

Das ist eine starke Willenskundgebung eines Menschen, der mit seiner ganzen Familie für die Musik und Liturgie am Tempel zu Jerusalem verantwortlich ist. Er verpflichtet sich, seinen Kindern und Enkeln die geschichtlichen Erfahrungen mit Gott weiter zu erzählen. Damit bekennt er sich zur Erzähltradition seines Volkes: „Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch der Weisheit und will Geschichten aus alter Zeit vortragen. Was wir gehört und erfahren haben und was unsre Väter uns erzählt haben, das wollen wir auch unseren Kindern nicht vorenthalten“ (v.2-4).

Da entschließt sich ein Mann, nicht zu schweigen, sondern von Gott zu reden. Das scheint mir bemerkenswert. Damals war es in den Stämmen und Familien tatsächlich die selbstverständliche Aufgabe der Väter und Großväter, die Geschichten und die Erfahrungen mit Gott wie bei einer Stafette von Generation zu Generation weiter zu geben.

Bemerkenswert ist das deshalb, weil erst in jüngster Zeit Väter und Großväter wieder ihre Verantwortung entdecken, ihren Kindern die biblischen Geschichten zu erzählen.

Bemerkenswert aber auch deshalb, weil diese Erzähltradition in unseren Familien bedroht ist. Die multimediale Welt fasziniert uns Erwachsene ja in gleichem Masse wie unsere Kinder und Jugendlichen, denn sie eröffnet uns großartige Informationsmöglichkeiten und verbindet uns weltweit.

Und doch ist es ein markanter Unterschied, ob unsere Kinder und Jugendlichen

durch Filme, im Internet oder durch andere Medien informiert werden oder durch lebendige Menschen und Persönlichkeiten. Von Mensch zu Mensch authentisch erzählte Erfahrungen mit dem Glauben können nicht durch Medien ersetzt werden. Erst in der Begegnung entstehen echte Gespräche und Dialoge. Wenn mir jemand gegenübersitzt, der Gottes Wirken real erfahren hat, wird das Gespräch ja erst dann richtig spannend, wenn ich nachfragen kann. 

Es ist hoffnungsvoll, dass in Familien offensichtlich wieder öfter Geschichten erzählt werden! Diese Alternative zum Medienkonsum wird von Kindern und Jugendlichen, ja auch von Erwachsenen nachweislich geschätzt und gewünscht.

Wann gibt es für Sie in Ihrer Familie, Verwandtschaft oder Nachbarschaft die nächste Gelegenheit, von Gott zu erzählen?

Asaph würde sie nutzen „und seinen Mund auftun“ (v.2)!

Autor/-in: Pfarrer i. R. Peter W. Henning