14.09.2014 / Wort zum Tag

Galater 5,14

„Das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“

Galater 5,14

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Viele Menschen sind mir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten begegnet. Manche Begegnungen waren eher oberflächlich. Manche von tiefen Gesprächen gefüllt. Immer wieder hat mich dabei auch die Frage bewegt: Was ist eigentlich das Zentrum meines Glaubens? Was ist das Zentrum meines Lebens? Was ist das Zentrum des Glaubens und des Lebens bei anderen? Darüber kann man ja wunderbar theoretisieren. Aber die Frage wird unausweichlich an den Bruchstellen unseres Lebens. Wenn irgendetwas gar nicht so läuft, wie wir uns das gewünscht haben, wenn etwas ganz und gar schief gegangen ist, wenn wir gescheitert sind. Ich erinnere mich an einen alten Mann, der viel für das Reich Gottes getan hatte. Für ihn völlig unerwartet war er plötzlich an Krebs erkrankt. Das hat ihm buchstäblich den Boden unter den Füßen weggezogen. „Warum macht Gott das?“, fragte er erschüttert. „Ich habe doch so viel für ihn getan.“

Ist das so mit dem Glauben: Ich tue etwas Gutes, dann belohnt Gott mich dafür. Im Umkehrschluss: Wenn Gott mich nicht belohnt, wenn er mir Schweres schickt, habe ich dann etwas Falsches getan? Habe ich nicht genug Gutes getan?

Ist das so mit dem Glauben? Ist das so mit Gott?

Ein anderer sagte einmal: Ich habe mich doch an alle seine Regeln gehalten. Habe versucht, treu und rechtschaffend zu leben, habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Und nun stehe ich vor den Trümmern meiner Existenz und frage mich, ob sich mein rechtschaffendes Leben überhaupt gelohnt hat.

Ist das so mit dem Glauben? Ist das so mit Gott: Ich verhalte mich ordentlich, dann verhält sich Gott auch ordentlich. Umgekehrt: Wenn er tut, was ich nicht verstehe, ist das dann die Strafe dafür, dass ich eine seiner Regeln übertreten habe?

Was ist das Zentrum des Glaubens? Was ist das Zentrum des Lebens? Wenn man beide Begriffe zusammenfasst, könnte man auch fragen: Was ist das Zentrum des Glaubenslebens? Das Zentrum meines Glaubenslebens? Das Zentrum Ihres Glaubenslebens? Was ist das Zentrum Ihrer Gemeinde? Worum geht es? Steht im Zentrum ein Gesetzbuch? Ein Regelwerk? Steht im Zentrum die Moral, die christliche, die oft genug nur eine bürgerliche Moral ist? Ist Gott der, den wir durch unser Leben zufriedenstellen müssen, damit er uns liebt?

Ich glaube nicht. Ich glaube sogar, dass das die Umkehrung des Evangeliums ist. Das Evangelium nämlich sagt: Gott ist Liebe. Gott ist Gnade. Gott liebt uns, auch wenn wir ihn nicht lieben. Gott ist uns gnädig, auch wenn wir alle seine Regeln immer wieder mit Füßen treten. Liebe, Gnade, Barmherzigkeit, das ist das Zentrum des christlichen Glaubens. Das ist das Zentrum des Lebens aus dem Glauben. Es ist das Zentrum meines persönlichen Glaubenslebens. Es sollte darum auch das Zentrum meiner Gemeinde sein.

In der Mitte steht: Gnade. In der Mitte steht: Liebe. Das ist ja auch so. Denn das Symbol der Liebe und der Gnade Gottes ist das Kreuz, an dem Jesus für unsere Schuld gestorben ist. Es gibt wohl keine christliche Gemeinde, in der man nicht dieses Kreuz findet. Das Kreuz sagt: Gott liebt euch unter allen Umständen. Gott ist euch gnädig unter allen Umständen. Weil das so ist, dürft ihr euch selber lieben. Weil das so ist, dürft ihr auch einander lieben. Dürft ihr mit euch selber gnädig umgehen. Dürft ihr mit anderen gnädig umgehen.

Paulus hat sich mit diesem Thema in einem ganzen langen Brief auseinandergesetzt. Wir finden ihn im Neuen Testament. Es ist der Brief an die Galater. Aus diesem Brief stammt der Vers, der uns durch diesen Tag begleiten will. „Das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“

Zu dieser Liebe, das macht Paulus an anderen Stellen im Galaterbrief deutlich, ist nur der in der Lage, der sich die Liebe Gottes immer wieder selbst gefallen lässt. Der immer wieder mit weit aufgerissenen Augen und staunendem Mund die Gnade Gottes entgegennimmt. Seine Begnadigung. Dieser Kreislauf der Liebe ist das Zentrum des Glaubens. Gott liebt mich. Darum darf ich mich selber lieben. Darum darf ich andere lieben. Im Umkehrschluss: Wenn ich mich selber nicht lieben kann, wenn ich andere nicht lieben kann, wenn ich mit mir selber ungnädig umgehe, wenn ich mit anderen ungnädig umgehe, dann habe ich die Liebe und die Gnade Gottes vermutlich selber nicht erfahren.

Ich wünsche Ihnen einen liebevollen Tag mit Gott.

Autor/-in: Jürgen Werth