24.01.2011 / Wort zum Tag

Galater 3,28

Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus.

Galater 3,28

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Arm oder reich, intelligent oder Schulversager, Winner oder Looser, Erfolgsmensch oder Randständiger, Spitzensportler oder Stubenhocker, das sind Gegensatzpaare, mit denen wir gerne Menschen in unserer Umgebung einteilen. Anhand des Kontostandes, des Intelligenzquotienten, der gesellschaftlichen Stellung oder der sportlichen Leistungsfähigkeit können wir tatsächlich manches über einen Menschen aussagen. Es sind aussagekräftige Kriterien. Solche Einteilungen gab es auch schon zur Zeit von Paulus. „Jude oder Grieche“ und „Sklave oder Freier“ waren zwei zusätzliche Kriterien.

Gegensatzpaare gibt es seit der Schöpfung: Gott schuf Himmel und Erde, Gott erschuf das Licht und trennte es von der Finsternis, er legte das Wasser in Kammern und schuf dadurch das trockene Land, und er schuf schließlich den Menschen als Mann und Frau. Die Zahl zwei – Gegensatzpaare – durchziehen die Schöpfung, und sie bestimmen einen guten Teil unserer Wahrnehmung im Alltag.

In dieser Zweiheit liegt auch ein schöner Teil der wohltuenden Spannungen in unserm Leben. Wir leben zwischen Anspannung und Entspannung, im Wechsel von Sommer und Winter, wir begegnen uns als Mann und Frau.

Oft müssen wir aber auch erleben, dass die Spannungen nicht mehr wohltuend sind, sondern zu einer schmerzlichen Herausforderung werden. Die Balance zwischen An- und Entspannung kann so gestört sein, dass wir in ein Burnout geraten, die Klimaveränderung lässt das Wetter die verrücktesten Kapriolen schlagen, und die Begegnung von Mann und Frau kann in die Katastrophe führen.

Im heutigen Tageslehrtext ist die Rede von drei Zweiheiten, bzw. Gegensatzpaaren: Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Männer und Frauen. Damit werden Unterschiede betreffend Herkunft und Frömmigkeitsstil, im sozialen Status und im Geschlecht benannt. Diese Gegensatzpaare haben in den ersten Christengemeinden zu teilweise massiven Spannungen geführt. Die Paulusbriefe zeugen davon. Die Juden verlangten von den Nichtjuden, dass sie das mosaische Gesetz respektieren. In Korinth ließen sich Christen im Namen der Freiheit zu Ausschweifungen verleiten.

Wenn Paulus schreibt, diese Gegensatzpaare seien „alle eins in Christus Jesus“, so löscht er damit die Unterschiede nicht aus. Sie bestehen nach wie vor, aber sie verlieren angesichts der Erlösungstat von Jesus ihre dominierende Bedeutung.

Dies lässt sich zum Beispiel am Gegensatz „Juden und Griechen“ zeigen: Damit wird die damals aus jüdischer Sicht radikalste Spaltung der Menschheit genannt, nämlich der Unterschied zwischen den Nachkommen Abrahams und allen anderen Menschen. Selbst wenn ein nichtjüdischer Mann zum Judentum übertrat, konnte er diese Spaltung nicht wirklich überwinden. Nach jüdischer Lehre kam ihm das Verdienst und der Segen der Stammväter nicht zugute. Er blieb ausschließlich auf die von ihm selber geleisteten Guttaten angewiesen. Ganz anders die Erlösung durch Jesus Christus. Sie gilt allen Menschen – unabhängig davon, auf welcher Seite des Grabens sie geboren worden sind. In diesem Sinn sind Juden und Griechen eins in Jesus Christus.

Oder am Beispiel „Männer und Frauen“ erklärt: Wörtlich heißt es: „Nicht gibt es mehr männlich und weiblich“. Diese Wendung erinnert an den biblischen Bericht über die Erschaffung von Mann und Frau. Er meint etwas Positives, weil Gottgewolltes. Wie schnell zeigen sich die Brüche im menschlichen Leben gerade im falschen Gegensatz zwischen Mann und Frau! Wie schnell schleicht sich da Ungutes ein: Machtausübung, Untreue und dergleichen. Das Zeichen des Alten Bundes war die Beschneidung. Frauen waren von diesem Zeichen zum Vornherein ausgeschlossen. Statt der Zusammengehörigkeit und Ergänzung beherrschte eine Spaltung das Verhältnis der Geschlechter. Auch diese Einseitigkeit wurde in Jesus Christus überwunden. Während im alten Bund nur Männer, bzw. Knaben beschnitten werden konnten, bringt der neue Bund ganz andere Möglichkeiten: Getauft werden können Männer  u n d  Frauen. „Ihr seid  a l l e  getauft!“ sagt Paulus im Vers, der unmittelbar vor unserem Tageslehrtext steht.

Entsprechendes ließe sich für das Gegensatzpaar „Sklaven und Freie“ sagen.

Ich schließe mit einem Beispiel aus der heutigen Zeit. Kürzlich begegnete ich Christen aus China. Die Unterschiede in der Sprache, der Kultur überhaupt, in der Herkunft und Denkweise sind enorm. Hören Sie einmal einer dreiviertelstündigen chinesischen Predigt zu, bei der Sie außer „Jesu“ nichts verstehen! Trotzdem habe während dieses Gottesdienstes deutlich gespürt: Hier weht der gleiche Geist wie bei uns. Wir sind tatsächlich eins in Jesus Christus, trotz aller Unterschiede.

Autor/-in: Pfarrer Alexander Nussbaumer