16.09.2022 / Wort zum Tag

Friedenssehnsucht

Mein Volk wird in friedlichen Auen wohnen, in sicheren Wohnungen.

Jesaja 32,18

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Manchmal können Bibelworte sehr selbstverständlich klingen. Dann lösen sie kaum mehr aus als ein zustimmendes Nicken. Und plötzlich bekommen sie eine ganz neue Aktualität. Weil uns bewusstwird, dass sie alles andere als selbstverständlich sind. Ein solches Wort ist die Losung der Herrnhuter Brüdergemeine aus dem Buch Jesaja, Kapitel 32, Vers 18:

Mein Volk wird in friedlichen Auen wohnen, in sicheren Wohnungen.

Selbstverständlich erbitten wir von Gott Frieden und Geborgenheit. In unserem Land haben wir über Jahrzehnte auch wirklich Frieden erlebt. Selbst die Umbrüche des Jahres 1989 geschahen weitgehend friedlich. Aber auf einmal rückt uns ein brutaler Krieg sehr nahe. So nahe, dass auch wir seine Folgen spüren. Dass wir auch in unserem Land um den Frieden fürchten, mindestens aber um die Energiesicherheit in unseren Wohnungen und Arbeitsstätten.

Allerdings sollten wir ehrlich sein: In allen zurückliegenden Jahrzehnten gab es auf dieser Erde unablässig Kriege. Nur erfuhren die meisten von uns davon allenfalls aus den Nachrichten. Die Gewalt, die die Ukraine in diesem Jahr überrollt, ist schrecklich und durch nichts zu rechtfertigen. Etwas Neues ist sie nicht.

Eher ist es wohl so, dass wir Mitteleuropäer aus einer besonders friedlichen und geschützten Zeit zurückgestoßen werden in eine Wirklichkeit, der die meisten Menschen auf diesem Erdball immer schon ausgesetzt waren und sind. Eine Wirklichkeit, die auch die Menschen der Bibel erfahren haben. Zu wem spricht Jesaja denn in der heutigen Losung? Er spricht zu Menschen, die ständig von Krieg und Not bedroht waren. Der kleine Staat Juda war umzingelt von militärisch hochgerüsteten Königreichen, die aus ihren imperialen Absichten keinen Hehl machten.

In diese Zeit der Angst und Resignation lässt Gott ihnen ausrichten: „Mein Volk wird in friedlichen Auen wohnen, in sicheren Wohnungen.“ Damit beschreibt Jesaja kein beschauliches Idyll. Vielmehr sagt er ihnen zu, dass Gott auf ihrer Seite ist. Nicht auf der Seite der kriegslüsternen Eroberer. Denn das ist er nie. Auch dann nicht, wenn sie sich in lästerlicher Weise als christlich darstellen. Leider ist das in der langen Geschichte unseres Glaubens immer wieder geschehen.

Die Losung von heute ist Gottes Parteinahme für Menschen, die sich ihm anschließen und die sich nach Frieden und Geborgenheit sehnen. Sie ist Gottes Kampfansage an alle, die anderen Menschen den Frieden rauben. Und ihre Würde und ihr Hab und Gut. Das ist unabhängig davon, zu welchem Volk sie gehören. Erst recht, seit der Chor der Weihnachtsengel die Botschaft über alle Welt ausrief: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen des Wohlgefallens.“

Gottes Verheißung gilt allen Menschen, die Frieden wollen. Sie gilt nicht nur uns und den Menschen, die uns nahestehen. Frieden ist unteilbar. Vielleicht ist es sogar eine Wurzel des Unfriedens, wenn wir Frieden und Sicherheit nur für unsere eigene Haut wollen, andere uns aber gleichgültig sind.

Und noch etwas können wir nicht überhören, wann immer die Bibel vom Frieden redet: Gott wird den Frieden nicht ohne uns herstellen. Auch in uns steht manches dem Frieden entgegen. Wer die Gründe für Konflikte immer nur in den anderen sucht, wird sie oft noch verstärken. Wenn Menschen aufrichtig den Frieden suchen und ihn auch allen anderen von Herzen wünschen, wird Gott für sie ein Verbündeter sein.

Autor/-in: Martin Leupold