07.04.2019 / Wort zum Tag

Freudegeber

Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.

Psalm 84,3

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Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig gefreut? Vielleicht bei einer Feier im Familien- oder Freundeskreis. Vielleicht bei der Geburt des Kindes oder Enkels. Vielleicht über einen überraschenden Sieg der Lieblingsmannschaft. Die Sportstadien sind ja in unserer Zeit beinahe die einzigen Orte, wo man sich als Erwachsener großer Gefühle nicht zu schämen braucht. Ansonsten zeigen Erwachsene eher selten Gefühle. In Fußballstadien wird die Freude sichtbar und hörbar. Tausende stimmen vor Begeisterung laute Fangesänge an.

Wenn die Israeliten zum Tempel pilgerten, haben sie dabei auch gesungen. Einige dieser Lieder sind uns in den Psalmen überliefert. So genannte Pilgerlieder, die man vermutlich unterwegs oder auch nahe am Ziel gesungen hatte, wie auch der Psalm 84. Der Liederdichter hat sich auch so richtig gefreut und drückt das in Vers 3 so aus: „Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.“ Ist das nicht erstaunlich? Wenn es da hieße: „Die Seele freut sich“, dann könnte ich das noch verstehen. Aber „Leib“? Der Psalmsänger will sagen: Der ganze Mensch, von der Haarspitze bis zu den Fußzehen, freut sich. In einer anderen Bibelübersetzung (Neuen Genfer) heißt es: „Mit Leib und Seele juble ich dem lebendigen Gott zu.“  Wer einen Gottesdienst mit afrikanischen Christen feiert, kann das buchstäblich beobachten und erleben, wie Menschen sich mit Leib und Seele freuen. In ihren Gottesdiensten werden nicht nur Lieder abgesungen, sondern Gott wird zugejubelt.

Oft werden unsere eher verhaltenen und manchmal auch steifen Gottesdienstabläufe mit der deutschen Nüchternheit begründet. Seltsamerweise ist von dieser Nüchternheit bei den Fangesängen in deutschen Fußballstadien wenig zu spüren. Ich vermute, es ist nicht nur eine Frage der Mentalität, der Art und Weise, wie wir Gefühle zum Ausdruck bringen. Die Ursache liegt tiefer. Darauf weist uns auch dieser Psalmvers hin: „„Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.“  Hier ist die Rede von der Vitalität eines Menschen, der dem lebendigen Gott vertraut. Dabei ist das Wort „lebendig“ zu unterstreichen. Es wird heute viel von „Gott“ geredet, aber wenig von dem „lebendigen“ Gott.

Die Propheten des Alten Testaments spotteten schon darüber, dass die Heiden selbstgemachte Götter haben: „Sie haben Augen und sehen nicht, sie haben Ohren und hören nicht“ (Ps. 135,16). Sie sind aus Holz und Stein.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass auch in christlichen Gemeinden von Gott geredet wird  –  ohne die Ehrfurcht oder die Freude darüber zu haben, dass der lebendige Gott wirklich da ist. Vielleicht singen wir „Gott ist gegenwärtig“, aber wir sind uns seiner Gegenwart gar nicht bewusst. Der Psalm 84 hat in der Luther-Übersetzung die Überschrift „Freude am Haus Gottes“. Aber die Freude am Tempel entspringt nicht in erster Linie aufgrund der Schönheit des Gebäudes. Die Freude am Haus Gottes hat ihren Grund in der Gegenwart Gottes, die die Israeliten damals im Tempel in besonderer Weise erlebten. Auch heute ist das Besondere, ja das Alleinstellungsmerkmal jeden Gottesdienstes, die Tatsache, dass Gott anwesend ist. Jesus, der Sohn Gottes, hat viel später versprochen: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter euch“ (Matthäus 18,20).

Aber nicht nur im Gottesdienst, sondern auch in unserem Alltag gilt: Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott“. - Eigentlich müsste es doch heißen: „Mein Leib und Seele freuen sich an dem lebendigen Gott“. Man kann sich an seinen Kindern erfreuen. Ich freue mich an einem guten Essen. Ich freue mich am Sonnenschein. Aber hier heißt es nicht: Ich freue mich an, sondern in dem lebendigen Gott. Das heißt: Diese Freude entsteht in einer persönlichen Beziehung mit Gott. Er will  Ihnen diese Freude schenken.

Autor/-in: Pastor Lothar Leese