20.07.2023 / Wort zum Tag

Frauenprobleme

Jesus sprach zu der Frau: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden!

Lukas 8,48

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Frauen sprechen ja nicht gern über ihre Frauenprobleme. Das geht mir als Frau heute im 21. Jahrhundert noch so. Es soll möglichst niemand mitkriegen, warum ich gerade wieder schlecht gelaunt und müde und unkonzentriert bin. Lieber reiße ich mich zusammen und stehe den Tag irgendwie durch, als dass ich einfach sage, dass ich mal wieder meine Tage habe und mich am liebsten ins Bett legen würde.

Das sind so meine Probleme als Frau im 21. Jahrhundert. Die Frauen im 1. Jahrhundert hatten damit aber noch viel größere Probleme: Eine Frau war für die Dauer ihrer Regelblutung unrein. Sie musste im Haus bleiben und durfte niemanden berühren, und auch alle Gegenstände, die sie anfasste, waren unrein. Solange eine Frau ihre Tage hatte, war sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Nun begegnet uns hier im Neuen Testament eine Frau, deren Blutung kein Ende nimmt, seit zwölf Jahren. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlt. Und schon gar nicht, wie es dieser armen Frau damals damit ging. Seit zwölf Jahren sitzt sie zuhause, sie darf nicht hinaus, auch dann nicht, als dieser Heiler namens Jesus ins Dorf kommt, von dem alle sprechen und der ihr vielleicht helfen könnte. Sie darf nicht. Sie darf nicht in seine Nähe kommen. Sie würde alle verunreinigen, die sie dabei berührt, und sie würde auch Jesus verunreinigen. Wie peinlich wäre das! So ist sie von allem ausgeschlossen, sogar von der Heilung durch Jesus.

Aber vielleicht, vielleicht kann sie sich ja anschleichen, sodass es niemand merkt. Vielleicht, vielleicht reicht es ja schon, wenn sie nur seine Kleider anfasst. Keine Ahnung, ob das schon mal funktioniert hat. Bloß nicht daran denken, was passiert, wenn das schief geht. Aber es ist die einzige Chance. Was hat sie schon noch zu verlieren.

Und sie wagt es. Sie verstößt gegen alle Regeln und Konventionen. Sie schleicht sich in die Menge, und sie bekommt einen Zipfel vom Gewand von Jesus zu fassen. Und sie wird auf der Stelle gesund. Es hat tatsächlich geklappt!

Aber was wird nun Jesus dazu sagen, dass sie, die unreine Frau, sich heimlich anschleicht und ihn einfach anfasst? Wird er nicht zornig sein, weil sie sich nicht an die Gebote hält? Sie zittert vor Angst. Jesus dreht sich zu ihr um, und was sagt er? Er sagt den Satz, der im Lukasevangelium, Kapitel 8, Vers 48 steht: „Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden!“

Es stört Jesus überhaupt nicht, dass die Frau gegen Regeln verstoßen hat, als sie sich ihm genähert hat. Er sieht ihren Glauben daran, dass bei Jesus Heilung ist. Diesen Glauben, der so stark war, dass sie dieses große Risiko eingegangen ist und einen so ungewöhnlichen Weg gewählt hat, nur um Jesus nahe zu kommen und auf diese Heilung zu hoffen.

Ich stelle mir vor, dass Jesus diesen Satz mit einem Lächeln sagt: „Meine Tochter“ – Ja, „das ist mein Mädchen“. Diese Frau gefällt ihm. Denn sie hat mehr von ihm begriffen als viele von den gelehrten Männern um ihm herum. Sie hat begriffen, dass es Jesus nicht darum geht, dass die Menschen bis in Kleinste das Gesetz befolgen. Sondern dass sie ihm nahe sein möchten, auch wenn sie gar nicht genau wissen, wie sie es anstellen sollen.

Jesus merkt es, wenn sich jemand heimlich, aus einer ungewohnten Richtung an ihn heranschleicht und versucht, wenigstens einen Zipfel von seinem Gewand zu erhaschen. Und er wendet sich dem Menschen zu und erkennt seine verborgensten Nöte. Er kümmert sich sogar um Frauen mit Frauenproblemen. Jesus sind alle Tabus und Konventionen egal, wenn nur der Mensch ihn findet. Diese Frau hatte das begriffen. Deswegen ist sie nun für alle Zeiten ein Vorbild im Glauben.

Autor/-in: Jutta Schierholz