20.08.2016 / Wort zum Tag

Familienähnlichkeit

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen.

1. Johannes 3,1

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Wie heißt eigentlich Gott für Sie? Ich meine: Wie reden Sie ihn an, wenn Sie beten? „Lieber Gott“? „Guter Gott“? Einfach nur: „Gott“? Bei seinem Eigennamen, also „Jahwe“? Ich kenne keinen, der das tut, obwohl es doch eigentlich nahe liegen würde. Oder sagen Sie in guter Tradition des Judentums „Herr“? Oder „Lieber Herr Jesus”?

Also ich rede Gott am liebsten mit „Lieber Vater“ an. Dabei geht es mir weniger darum, ob Gott nun Mann oder Frau, Vater oder Mutter ist – Gott ist natürlich weder Mann noch Frau. Es geht mir um etwas anderes: Ich bin sein Kind! Zum Kind kann man sich ja nicht selber machen – man muss dazu geboren sein. Oder adoptiert. Dann gehört man zur Familie. Ich gehöre also zur Familie Gottes. Und so wie ein neugeborenes Kind den Familiennamen der Eltern trägt, so darf ich den Namen der Familie Gottes tragen: „Christ“. Und ich darf zu dem allmächtigen Gott, der das Weltall geschaffen hat „lieber Vater“ sagen und rede mit ihm wie ein Kind mit seinem Vater.

Da kann einem ja schon vor Stolz die Brust schwellen. Oder es könnte einem Angst und Bange werden: Ein Kind muss ja zur Familie passen. Leibliche Kinder bringen hier genetisch einigen Vorsprung mit. Als unsere Tochter geboren wurde, hat ein Kollege gemeint, einen Vaterschaftstest bräuchte ich nicht zu machen. Sie soll mir sehr ähnlich gesehen haben – haben jedenfalls Freunde und Verwandte und auch meine Frau gemeint. Adoptierte Kinder haben es da etwas schwerer mit der Familienähnlichkeit. Wobei: Meine Frau ist nach der Geburt adoptiert worden und hat schon öfter den Satz gehört: „Ach, das war Deine Mutter – Ja, das sieht man!“ Gene sind eben doch nicht alles.

Meine Familienähnlichkeit zu Gott ist ungefähr so groß wie die eines Meerschweinchens zu mir. Wie soll ich in seine Familie passen? Ich bin weder vollkommen, noch fühle ich mich heilig, mein Zorn ist in den seltensten Fällen gerecht und meine Liebe lässt mindestens zu wünschen übrig. Der Stolz vergeht mir und weicht massiven Selbstzweifeln, ob ich wirklich „lieber Vater“ sagen darf. Vielleicht wäre „Heiliger Gott“ doch angebrachter.

Was für eine Art Kind bin ich eigentlich, und wie bin ich Kind geworden? Durch die Liebe. Natürlich nicht so wie bei den Menschen – sondern eher wie bei einer Adoption. Gott hat mich aus Liebe als sein Kind adoptiert. So ähnlich wie Adoptiveltern das auch tun – aus Liebe ein Kind annehmen. Gott hat also erklärt: „Du bist jetzt mein Kind. Du sollst jetzt Christ heißen.“ Wenn Gott etwas erklärt, dann gilt es. Wenn Gott sagt, dass ich mich sein Kind nennen darf, dann bin ich es tatsächlich! Einen Vers später schreibt Johannes in seinem Brief noch etwas sehr erhellendes: „Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“

Die Familienähnlichkeit ist also noch gar nicht unbedingt sichtbar. Oder nur ansatzweise – und nur für den, der dafür offene Augen hat. Es ist eher so: Gott hat die Adoptionsurkunde unterzeichnet. Jetzt lebe ich in dieser Familie. Und in der ganzen Familie, der Gemeinde von Jesus Christus, ist die „Familienähnlichkeit zu Gott“ noch verborgen. Aber auch, wenn man es nicht immer sieht, färbt etwas davon ab. Wenn es um andere Christen und die Gemeinde geht, möchte ich mir dafür von Gott wieder neu die Augen öffnen lassen. Wenn es um mich geht, möchte ich mich an Dietrich Bonhoeffer halten, der in seinem Buch „Nachfolge“ – in dem er großen Wert auf diese „Familienähnlichkeit“ zu Christus legt – sagt, dass die sie den Betroffenen selbst verborgen bleibt. „Lieber Vater“ bleibt meine Lieblingsanrede für Gott. Lassen Sie uns die Beziehung mit diesem „lieben Vater“ pflegen. Dann wird irgendwann die Familienähnlichkeit abfärben. Und nicht nervös werden, wenn man davon mal nicht so viel sieht!

Autor/-in: Uwe Bertelmann