27.06.2014 / Porträt

Ex-Republikaner heiratet Afrikanerin

Früher brüllte Michael Beyerlein „Ausländer raus“ – heute engagiert er sich für Flüchtlinge.

Michael Beyerleins Kindheit war eine Katastrophe. Sein Vater war jähzornig. Schon als Kind musste er miterleben, wie der Vater seine Brüder und Mutter blutig schlug. Zusätzlich war sein Vater ein echter Nazi. „Er war einer der größten Judenhasser. Für ihn ist die Zeit 1945 stehen geblieben. Wenn er im Fernsehen jemand gesehen hat mit einer langen Nase, dann hat er gesagt: ‘Den haben sie vergessen zu vergasen.‘“

Weder zum Vater noch zur Mutter baute Michael eine echte Beziehung auf. Als er 13 Jahre alt war, ließen seine Eltern sich scheiden. Als Vorbild musste daher sein älterer Bruder herhalten. In der Schule war Michael ein Rebell und Klassenclown. Zweimal flog er von der Schule.

Mitte der 80er Jahre beginnt der gebürtige Hofer die Nationalzeitung zu lesen – seiner Ansicht nach „das rechteste Blatt überhaupt.“ Nach seiner Ausbildung zum Berufskraftfahrer jobbt er als Busfahrer und Gefahrengutlenker. Auf seinen Fahrten im Ausland stellt er fest, dass die Deutschen dort nicht sehr beliebt sind. Das schürt seine Ressentiments gegen Ausländer.

Ein kanadischer Missionar bringt sein Weltbild ins Wanken

Michael Beyerlein zu Gast in der Sendung ERF MenschGott (Foto: ERF Medien)

Eines Tages sieht Michael Beyerlein im Wahlkampf Plakate von Franz Schönhuber, dem Gründer der Partei Die Republikaner. Die Parolen „Deutschland den Deutschen“ oder „Das Boot ist voll“ sprechen ihm aus dem Herzen. Sofort schreibt er einen Brief an die Parteizentrale in Berlin. Er bekommt Antwort und beginnt, sich politisch zu engagieren. Dass sich diese Einstellung einmal ändern würde, ist für Michael Beyerlein unvorstellbar. Schnell steigt er in der Partei-Hierarchie auf. Er wird Mitglied im Kreisvorstand. Sein Aufstieg scheint unaufhaltsam. Er schafft es sogar bis zum Bezirksvorsitzenden von Oberfranken. Trotzdem fühlt er sich seltsam leer.

Deswegen nimmt Michael eines Tages die Einladung zu einem Gottesdienst an, in dem ein kanadischer Missionar predigt. Der Gottesdienst löst bei ihm keine Begeisterung aus, das anschließende Treffen mit dem „komischen Ausländer“ dagegen schon: 

Der Mann hat so viel Liebe ausgestrahlt und so eine Offenheit und Freundlichkeit. Ich hab mich da zum ersten Mal im Leben richtig wohl gefühlt. Der hatte so eine Liebe zu den Menschen. Genial. Er hat mir auf ganz andere Weise von Jesus erzählt. – Michael Beyerleins

Der Republikaner geht ins Flüchtlingsheim

Trotzdem bleibt Michael Beyerlein Mitglied bei den Republikanern. Weiter setzt er sich aktiv für die Abschiebung von Flüchtlingen ein. Ausländer sind ihm weiterhin verhasst. Er hält sie für Sozialschmarotzer, die den Deutschen ihre Jobs klauen. Doch dann hat er ein Schlüsselerlebnis. Der Flüchtlingsmissionar Gordon lädt ihn ein, ihn einen Tag bei seiner Arbeit zu begleiten.

Michael wehrt sich anfangs, gibt dann aber doch nach. Er begleitet den Kanadier in ein Flüchtlingsheim in Straubing – trotz aller Bedenken:

Das war Feindesland. Aber was ich dort erlebt habe, kann man sich gar nicht vorstellen. Die Zimmer waren eigentlich nur Wolldecken, die die Zimmer abgeteilt haben – und da haben Familien gelebt. Die haben uns eingeladen und alles mit uns geteilt, was sie besaßen. Da war so eine Herzlichkeit und Freundlichkeit. Die waren ganz anders als ich gedacht habe. An dem Abend hat sich in mir etwas verändert. Ich habe das erste Mal für Menschen, die mir fremd und eigentlich verhasst waren, Nächstenliebe empfunden. – Michael Beyerleins

Diese Begegnung lässt Michael Beyerlein nicht mehr los – und es ist erst der Anfang einer radikalen Kehrtwende.

Am Tiefpunkt Gott getroffen

Michael verlässt die Partei. Für die Parteifreunde der Republikaner ist diese Entscheidung ein kleiner Schock, denn dort gilt er als eine Art Galionsfigur. Auch privat verläuft sein Leben turbulent. Erst wird er arbeitslos, dann eröffnet er eine Musikkneipe. Doch die Erfüllung seines Kindheitswunsches endet im finanziellen Fiasko. „Ich war pleite“, beschreibt er seine Situation. Selbst der Kontakt zum Auslandsmissionar Gordon schläft ein. Die Bibel liest Michael schon eine Weile nicht mehr. Er ist ganz unten.

Im November 2000 weiß er sich nicht anders zu helfen und geht auf die Knie, um zu beten: „Herr, das war so eine tolle Zeit mit Gordon. Ich habe da selber etwas zerstört. Lass doch diese Zeit wiederkommen und lass mich bitte so werden wie Gordon“. In diesem Moment vernimmt er eine Stimme in sich: „Gordon habe ich schon, aber dich möchte ich haben“. Daraufhin macht Michael ganze Sache und gibt sein Leben in die Hände Gottes. Er betet: „Mach du mit mir, was du willst. Ich möchte dir nachfolgen.“ Nach diesem Gebet machen sich die ersten Veränderungen bemerkbar. „Schon während des Gebets und auch die Tage danach hatte ich so eine Freude in mir“ sagt er darüber.

Das Leben des ehemaligen Partei-Funktionärs verändert sich von Grund auf. Michael Beyerlein bewirbt sich bei mehreren Bibelschulen. 35 mal wird er abgelehnt. Bei der 36. Bibelschule liegt der Schwerpunkt auf dem Alten Testament und Israel. Erst sträubt sich das ehemalige REP-Mitglied, macht dann aber in einem Seminar eine spannende Entdeckung:

Beim Lesen von 3. Mose ist mir bewusst geworden, welches Opfer Jesus für mich am Kreuz erbracht hat und wie wichtig Israel für uns ist. Da wollte ich nicht mehr weg. Ich denke, da hat sich mein Vater im Grab umgedreht, dass ich auf einmal ein Israelfreund geworden bin. – Michael Beyerleins

Die große Liebe in Afrika gefunden

Michael Beyerlein mit Kindern aus Afrika (Foto: privat)

Teil der Ausbildung ist ein Praktikum. Gordon fragt ihn, ob er sein Praktikum nicht in Afrika machen wolle. Michael Beyerlein sagt zu – allerdings eher aus Spaß, denn er hat Flugangst und kein Geld. Als sich nur eine Woche später 3.500 Euro auf seinem Konto befinden, hat er keine Wahl mehr. Er muss nach Afrika fliegen. Ganz unvermutet entdeckt er dort seine Liebe zu Afrika und übernimmt sogar die Leitung eines Projekts in Uganda. Im Rahmen dieses Projektes wird er von Bekannten nach Ruanda eingeladen. Diese Reise verändert sein Leben ein weiteres Mal.

Seine Übersetzerin heißt Sissi. Sie ist Tutsi und hat den Völkermord überlebt. Auf der gemeinsamen Reise kommen sich die beiden Stück für Stück näher. „Wir haben uns immer besser verstanden und konnten viel miteinander reden. Das war faszinierend für mich. Wir haben gemerkt, dass es einen Draht zwischen uns gibt. Selbst als ich in Deutschland war haben wir dreimal pro Tag telefoniert. An die Telefonkosten darf ich gar nicht mehr denken“, erzählt er.
 

Michael Beyerlein zu Gast in der Sendung ERF MenschGott:

27.06.2014 / ERF Mensch Gott

„Ich war Ausländerfeind“

Ausgerechnet ein Ausländer zeigt dem fremdenfeindlichen Michael Beyerlein den Weg zu einem erfüllten Leben.

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Ex-Republikaner kämpft für die Integration von Ausländern

Es dauert nicht lange, bis der ehemalige Republikaner mit der Afrikanerin verheiratet ist. Sissi begleitet ihn nach Deutschland und gemeinsam bauen sie in Chemnitz eine Arbeit für Flüchtlinge auf. Aus dem Mann, der früher die Parole „Deutschland den Deutschen“ rief, ist ein Mann geworden, der sich aktiv für Menschen aus anderen Ländern einsetzt – und das aus tiefster Überzeugung.

Oft ist der Begriff Flüchtling so negativ besetzt – als ob man über Vieh redet. Wir reden aber über Menschen. Wenn man im persönlichen Gespräch die Geschichten hinter den Menschen erfährt, wird deutlich, warum sie hierherkommen. Dann sieht man das Leid, die Not oder den Hunger, den sie erlebt haben. Das sind Menschen, die einen Grund gehabt haben, hierherzukommen. – Michael Beyerleins

Aus diesem Grund hat er 2013 gemeinsam mit seiner Frau die christliche Flüchtlingsarbeit „Brücke“ in Chemnitz gegründet. Das Werk und seine Stelle dort leben von Spenden. „Leider reichen die Spenden nicht aus, um meine Stelle zu finanzieren. Deswegen melde ich mich jetzt arbeitslos. Die Arbeit der Brücke geht aber weiter“, erzählt er. Deswegen können dort auch in Zukunft auf 80 Quadratmetern Flüchtlinge und Deutsche zusammen kommen. „Wir sind da, um Vorurteile abzubauen, aber auch Brücken zu bestehenden Organisationen zu bauen“, so Beyerlein.

Autor/-in: Claas Kaeseler

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