04.05.2023 / Wort zum Tag

Etwas Intimes?

Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben.

Römer 1,16

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Paulus schreibt an die Christen in Rom, er will mutig von Jesus erzählen: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben“ (Römer 1,16).

Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Wow! Ich höre oft das Gegenteil. Glaube ist Privatsache, heißt es. Etwas ganz Intimes. Das ist für mich gut, aber die anderen geht das doch nichts an.

Vor kurzem las ich einen Artikel in der Wochenzeitung die Zeit. Die Autorin hat ihre beiden Töchter nicht christlich erzogen. Und auf einmal stellen die ganz viele Fragen nach Gott. Wie soll sie die beantworten? Sie begibt sich auf die Suche und stellt fest – ich zitiere:

„Wo in den Medien über Religion gesprochen wird, ist das seltsam distanziert und glaubensfern. Versuchsweise gehe ich in Gottesdienste. Aber die Predigten, die ich höre, erinnern mich an Leitartikel in der Zeitung.

Ich wende mich an Freunde, die getauft und konfirmiert sind. Selbst einige, die vor kurzem noch kirchlich geheiratet haben, reagieren aus­weichend: ‚So richtige Christen sind wir nicht.‘ Ich staune noch mehr, als ich keinen finde, der an die Auferstehung Jesu glaubt. Wer war Jesus dann? Nur ein guter Mensch? Die Überzeugung, dass Jesus von den To­ten zurückgekehrt ist, hat das Christentum einst begründet.

Eine Freundin sagt, sie merke, dass sie nicht über ihren Glauben sprechen kön­ne. Laut einer Umfrage reden die meisten Kirchenmitglieder selbst in ihren Familien kaum über den Glauben. Wir sind doch ansonsten so eine tabu­lose Gesellschaft. Da ist es schon erstaunlich, wenn ausgerechnet der Glaube so ra­di­kal ausgespart wird.“ Soweit die Zeit-Autorin.

Ich schäme mich des Evangeliums nicht – Fehlanzeige. Dabei sind unsere Mitmenschen manchmal für den Glauben aufgeschlossener als wir denken. Neulich unterhielt ich mich mit einer Bekannten aus meinem Italienischkurs. Sie hatte eine schwierige OP vor sich.

„Weißt du“, sagte sie, „es ist so ein Zufall, dass das früh genug entdeckt wurde, das war echt ein Glück, ich hatte doch gar keine Beschwerden.“ Ich sagte: „Ich würde das ja eine Fügung Gottes nennen.“ – „Ja genau, das meinte ich ja“, rief sie begeistert, „irgendwer hat auf mich aufgepasst, und darum bin ich ganz zuversichtlich.“ Und sie hat sich sehr gefreut, dass ich ihr versprach, für sie zu beten.

Es muss nicht immer die große feurige Predigt sein. Oft sind es kleine Haken, die ich setzen kann. Gedankenanstöße, die den anderen auf Gott hinweisen. Und die ihm oder ihr zeigen: Wenn sie will, kann sie mich darauf ansprechen.

Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, sagt der Apostel Paulus. Und manchmal spüre ich das bei anderen auch.

Vor einiger Zeit stand ich mit meiner jüngsten Tochter an der Kasse eines Modeladens in unserer Kleinstadt. Vor uns Frau Meyer, eine kleine, vor Energie sprühende Dame Ende 70. Alle schienen sie zu kennen. „Kinder, ich muss nächste Woche nach Amerika,“ erzählte sie den Verkäuferinnen, „zu meiner Tochter und meinen Enkelkindern, aber ich habe ja solche Flugangst, schrecklich! Und das ist so ein langer Flug. Wenn ich das bloß erst überstanden habe!“ Mitfühlend versicherten die Verkäuferinnen: „Wir drücken Ihnen die Daumen.“ „So ein Quatsch!“ rief Frau Meyer resolut und so laut, dass es der ganze Laden mitbekam. „Beten ist viel besser! Daumendrücken nützt überhaupt nichts, beten muss man.“ Und dann drehte sie sich zu mir um und sagte: „Sie beten für mich, ja?“

Meine Tochter war fasziniert. „Das war ja eine coole Oma“, meinte sie. Ich glaube, auch die Verkäuferinnen werden dieses Gespräch nicht so bald vergessen. Denn wir alle haben die Kraft gespürt, die darin steckte. Evangelium in drei Worten: Beten muss man!

Autor/-in: Pastorin Luitgardis Parasie