30.06.2011 / Wort zum Tag

Epheser 3,20-21

Dem, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Epheser 3,20-21

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„Nur nicht so sparsam!“, sagt Paulus hier! Denk dran, was für einen reichen Gott du hast! Und ich bin beschämt, denn ich traue Gott manchmal wirklich wenig zu. Dann bete ich nur um Kraft für diesen Tag, dass ich meine Aufgaben hinkriege, und dass dieses und jenes auch klappt. Und es gibt ja auch diese Tage, an denen man einfach sehen muss, sie zu überstehen, und da ist es schon viel, wenn Kraft für diesen einen Tag da ist. Aber ich weiß, dass ich um mehr beten könnte.
     
Wie wenig sparsam ist Gott: wie verschwenderisch hat er die Schöpfung ausgestattet: nicht nur drei Käferarten, sondern tausende, oder sind es noch mehr? Nicht nur fünf Birkensämchen sind in jedem Kätzchen, sondern – nein, gezählt habe ich sie noch nicht. In der Bibel wird erzählt von Gottes Großzügigkeit: Hanna bittet Gott um ein Kind – und bekommt den Samuel und noch weitere fünf Kinder dazu! Salomo bittet Gott um Weisheit – und bekommt dazu auch noch Ehre und Reichtum.
  
Von diesem Gott schwärmt Paulus: „Gott kann überschwänglich mehr tun, als wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt ...“ Wo erlebe ich das? Manchmal bin ich enttäuscht von Gott – weil ich so wenig sehe! Ja, ich habe in meiner Gemeinde in den elf Jahren viele gute Begegnungen gehabt mit Menschen bei Besuchen; aber die haben offenbar keine Auswirkungen – jedenfalls nicht im Gottesdienstbesuch. Das macht müde. Vielleicht sollte ich einfach noch mehr tun, mich noch mehr anstrengen, mehr beten, mehr arbeiten? Und das ist auch mein Lebensstil: dass ich bis zur Erschöpfung arbeite, und dann bin ich immer noch nicht zufrieden. Was mache ich falsch?

Mein ehemaliger Lehrpfarrer las einmal, dass man mit viel weniger Schlaf auskommen könnte: vier Stunden Schlafen in der Nacht reicht! Das versuchte er so zu machen – aber nun schlief er ab und zu tagsüber in Sitzungen ein ... Aber halt: ruft Paulus denn uns auf, noch mehr zu arbeiten? „Gott kann überschwänglich mehr tun, als was wir bitten oder verstehen!“ Nicht ich sollte überschwänglich mehr tun! Seine Kraft wirkt selbstverständlich in mir.

Ich glaube, ich erwarte Gott manchmal am falschen Ort: ich erwarte, dass die Menschen in die Kirche strömen – dabei wirkt Gott vielleicht längst in ihren Herzen und zieht sie unaufhaltsam zu sich? Gestern – da traf ich in einem Konzert mit einem christlichen Liedermacher eine Frau mit ihren Kindern, die erst kürzlich mit dem Nachbarn zusammengezogen war. Sie war überrascht, denn sie kannte hier doch niemanden! Sie hatte eine CD mit diesen Liedern geschenkt bekommen und nun war sie einfach gekommen! Ja: „Gott kann überschwänglich mehr tun, als wir bitten und verstehen!“

Vielleicht achte ich meine Misserfolge, mein mühsames Arbeiten, viel zu hoch – und übersehe dabei Gottes Wirken? Ich weiß, ich bin ein Mensch, der mehr das Schwierige und Dunkle sieht. Was bin ich froh, dass es Brüder und Schwestern gibt, die auch diese andere helle Seite sehen! Und ich denke daran, dass ich jeden Sonntag in einer uralten Kirche Gottesdienst feiere, wie seit 400 Jahre lang die Christen hier. Wie bin ich froh, mit zwei Frauen zusammen jede Woche beten zu können. Wie bin ich froh über Bücher, die berichten, wie Menschen zum Glauben kommen.  Gott kann nicht nur das tun, was ich erbitte; er kann überschwänglich mehr tun, als ich bitten oder verstehen kann.
 

Autor/-in: Pfarrerin Renate Schmidt