13.01.2022 / Wort zum Tag

Einmütig streiten

Der Gott der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt.

Römer 15,5–6

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Loriot at its best! Hans Peter Korff und Irm Herrmann spielen in „Pappa ante Portas“ Onkel Hellmuth und Tante Hedwig – ein absolut harmonisches Ehepaar, das sich nie streitet. Immer harmonisch. Immer eines Sinnes. Einmalig, eben Loriot. Aber dann macht der sichtlich angetrunkene Bürgermeister auf der Geburtstagsfeier von Hellmuths Mutter Hedwig unsittliche Avancen, und so kommt es zwischen Hellmuth und Hedwig zu einer Meinungsverschiedenheit. Zum ersten Mal in ihrer Ehe! „Ich glaube, der Bürgermeister wollte mir nur eine Freude machen“ – „Ich bin dieser Meinung nicht, und ich möchte dich daran erinnern, dass wir niemals verschiedener Meinung sind“. „Dann möchte ich Dir empfehlen, dich meiner Meinung anzuschließen“ … es endet, wie könnte es anders sei, im Desaster.

Eine überspitzte Karikatur. Beziehungen, in denen es keine Konflikte gibt – keine geben darf! Äußerliche, oberflächliche, geheuchelte Harmonie. Die funktioniert nur, weil alles unter den Teppich gekehrt wird. In einer Ehe bedeutet das meistens, dass ein Partner gelernt hat, alles herunterzuschlucken. Mindestens so ausgeprägt wie in manchen Ehen habe ich das in christlichen Gemeinden erlebt. Als junger Pastor hat mir mal ein junger Mann gesagt: „Ich bin so erzogen worden, dass ich das, was der Pastor auf der Kanzel sagt, nicht hinterfragen darf.“ Ich dachte: „Da gehst Du nie wieder hoch!“.

Ein anderes Mal hatte ich in einer Predigt eine gute „Streitkultur“ angemahnt. Darauf sprach mich ein älterer Bruder – sogar aus dem Vorstand – an: Das könne man doch so nicht sagen. Christen sollten sich doch nicht streiten. Und er zitierte (bibelfest, wie er war, natürlich auswendig) Römer 15,5-6, der heute als neutestamentlicher Text im Losungsheft steht: „Der Gott der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt.“

Wenn wir alle denselben Heiligen Geist haben – müssen wir dann nicht alle von Gott dieselbe Erkenntnis geschenkt bekommen und folglich einer Meinung sein? Wie kann es sein, dass der Geist Gottes dem einen dies und dem anderen das Gegenteil zeigt? Sollen wir daher nicht „einmütig“ sein? Wenn man die Briefe des Paulus liest, merkt man: Es gibt wohl kaum etwas, das weiter von Paulus entfernt wäre als eine geheuchelte Harmonie à la Onkel Hellmuth und Tante Hedwig.

Was dann? Munter aufeinander einschlagen? Um das zu veranschaulichen, würde Loriot heute ein Blick in ein durchschnittliches Facebook-Profil reichen. Da verlieren auch Christen bisweilen jede Hemmschwelle im Umgang miteinander. Gepostet ist schnell etwas, was man dem Betreffenden direkt nie sagen würde.

Was denn dann? – Paulus fordert das Gegenteil von beidem: Es geht bei der „Einmütigkeit“ darum, wie Juden und Nichtjuden gemeinsam Gottesdienst und Abendmahl feiern und eine Gemeinde bilden können. Die einen fühlen sich an die jüdischen Speise- und Reinheitsvorschriften gebunden, die anderen nicht. Mit Menschen, die sich an diese Vorschriften nicht halten, durften fromme Juden nicht zusammen essen.

Paulus sagt in diesem Zusammenhang zwei spannende Dinge: 1. Jeder soll das so handhaben, wie er möchte und darf bei seiner Meinung bleiben. Das heißt: Es gibt mehrere mögliche und richtige Sichtweisen – je nach Situation. 2. Nehmt euch ein Vorbild an Jesus. Er hat nicht auf seine Freiheit gepocht und sein Ding durchgedrückt – sondern: Was braucht der andere? Was hilft ihm oder ihr?

Das ist der dritte Weg, zwischen geheuchelter Harmonie und aufeinander eindreschen. Ich akzeptiere, dass der andere eine andere Meinung haben darf. Wenn nötig, werde ich meine Meinung vertreten. Und, ja, das darf auch mal emotional werden. Man schaue sich Jesus an, wie er den Tempel reinigt … - aber immer will ich mir ein Beispiel an Jesus nehmen. Dann will ich nicht die Diskussion oder den Streit gewinnen, sondern meinen Diskussionspartner. Und den anderen höher achten als mich selbst.

Mein Gebet für den Tag heute ist, dass mir das heute gelingt.

Autor/-in: Uwe Bertelmann