15.10.2019 / Wort zum Tag

Eine Religion für alle?

Der HERR spricht: Zum Licht für die Nationen werde ich dich machen, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht.

Jesaja 49,6

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Ich habe neulich ein Buch über die Wikinger gelesen. Darin geht es auch um ihre Religion und wie sie dem Christentum begegnet sind. Das fand ich besonders interessant.

Die Wikinger glaubten an Götter, die auch Schwächen haben und dunkle Seiten. Der oberste Gott Odin zum Beispiel kommt nicht gerade sympathisch daher. Er ist weise, doch lässt er sich oft von seiner Wut hinreißen. Die Dichter belegen ihn mit Namen wie „Allwissender“, aber auch „Aufhetzer“ und „Übeltäter“.

Der einzelne Wikinger betete zum Gott seiner Wahl und versuchte, ihn durch Opfer zum Eingreifen zu bewegen. Niemand war genötigt, bestimmte Götter oder irgendeinen Gott anzubeten. Eine Saga berichtet von einem Mann, der ebenso wie sein Sohn den Beinamen „Gottloser“ führte. Beide opferten keinem Gott, „sie glaubten an die eigene Kraft.“ Niemand zwang sie, ihren Unglauben abzulegen. Und erst recht drängten die Wikinger keinem anderen Volk ihre Religion auf. Die Christen waren ihre Feinde nicht wegen des unterschiedlichen Glaubens, sondern weil sie die Reichtümer der Klöster und Kirchen rauben wollten.

Die Christen hingegen versuchten, die Wikinger zum christlichen Glauben zu bekehren – mit Überzeugungsarbeit,  aber auch mit Zwang. Sie traten mit dem Anspruch auf: „Unser Glaube ist der beste. Unser Gott ist der einzig wahre.“

Aus heutiger Sicht stellt mancher die Frage: Waren die Wikinger religiös nicht toleranter als die Christen? Ist das nicht überhaupt die bessere Haltung: es jedem überlassen, was er glauben will; auf Mission komplett verzichten?

Doch Christen kommen her von der Bibel. Und in ihr stehen Aussagen wie diese: „Der HERR spricht: Zum Licht für die Nationen werde ich dich machen, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht.“ Diese Worte stehen in Jesaja 49, Vers 6. Da berichtet einer, den Gott als seinen Knecht ausgewählt hat (Jes 49,5.6). Das Volk Israel soll er aufrichten aus seiner tiefen Not. Aber das ist Gott noch zu wenig: Sein Horizont ist weiter. Sein Knecht soll zum Licht für alle Völker werden. Bis ans Ende der Welt soll er Gottes Liebe tragen, die alle und alles heil macht.

Da ist er, schon im Alten Testament: der Blick auf die ganze Welt, der Wille Gottes, allen Menschen zu helfen. Ich spüre in den Worten des Gottesknechtes seine Begeisterung für Gott. Er ist zutiefst überzeugt: „Gott meint es gut mit allen Menschen. Bei ihm ist es anders als bei den Göttern der anderen Völker. Man braucht ihn nicht mit Opfern zu überzeugen, Gutes für einen zu tun. Er gibt nicht erst, wenn wir ihm etwas geben. Ohne unser Zutun ist er erfüllt von Liebe zu allen.“

Solche Begeisterung für Gott erfüllte auch Jesus. Er stellte seinen Zuhörern Gott als Vater vor Augen. Als Vater, dem sie am Herzen liegen. Der ihnen nachgeht, wenn sie ihm weglaufen. Der sie sucht, bis er sie findet. Die Nachfolger von Jesus ließen sich von seiner Gottesbegeisterung anstecken. Sie konnten gar nicht anders – sie mussten allen Menschen von diesem Gott weitersagen. Und vom Gottesknecht Jesus. Weil Gott uns durch Jesus seine Liebe so deutlich zeigt.

Nein, wir dürfen niemandem unseren Glauben aufzwingen. Leider haben Christen das im Lauf der Kirchengeschichte immer wieder getan. Das war falsch. Der Glaube ist ein Kind der Freiheit. Er kann und darf nicht erzwungen werden. Jeder soll frei sein, an wen oder was auch immer zu glauben – seien es die germanischen Götter der Wikinger, sei es die eigene Stärke oder sonst etwas. Nicht falsch aber ist es, wenn Christen von dem weitersagen, der ihr Herz erfüllt. Wenn sie andere freundlich zu ihm einladen. Wenn sie für das Vertrauen auf Gott werben. Der Vater im Himmel hat ein großes Herz. Er sehnt sich danach, alle Menschen mit seiner Liebe zu erreichen.

Autor/-in: Pastor Martin Knapmeyer