04.08.2010 / Gedenktag

Eine evangelische Märtyrerin

Der Glaube dieser aufrechten Frau war den Nazis ein Dorn im Auge – dabei hatte Elisabeth von Thadden nie zum Widerstand aufgerufen.

Zielstrebig, zuweilen hart und herrschsüchtig und doch auch verantwortungsvoll, das Wohl des anderen im Blick: So wird Elisabeth von Thadden von ihren Zeitgenossen beschrieben. Die in Ostpreußen geborene und auf dem Landgut Trieglaff in Westpommern aufgewachsene Tochter aus einem alten pommerschen Adelsgeschlecht übernahm mit 19 – nachdem die Mutter gestorben war – die Verantwortung für Familie, Haus und Hof. Zehn Jahre lang führte sie streng die Geschäfte und betreute ihre jüngeren Geschwister. Als der Vater wieder heiratet, verlässt sie das heimatliche Gut, nicht zuletzt auch, weil die neue Frau des Vaters fünf Jahre jünger ist
als sie.

Die Vision vor Augen
In Berlin lässt sie sich nieder – ohne einen Beruf gelernt zu haben. Nach Ende des ersten Weltkrieges ist die Not groß. Elisabeth von Thadden findet ein Betätigungsfeld: in der sozialen Arbeitsgemeinschaft in Berlin. Außerdem besucht sie eine Frauenschule. 1921 übernimmt sie die Stelle einer Erziehungsleiterin in einem Erholungsheim für Kinder in Süddeutschland. Doch die Arbeit befriedigt sie nicht. Sie will mehr. Die Vision eines modernen evangelischen Mädcheninternats steht ihr vor Augen.

1927 ist es soweit: In der Nähe von Heidelberg gründet sie das Evangelische Landerziehungsheim auf Schloss Wieblingen. Die Schule ist offen für alle. Auch jüdische Schülerinnen besuchen sie. Das ist den Nationalsozialisten nach deren Machtübernahme 1933 allerdings ein Dorn im Auge, wie überhaupt die christliche Ausrichtung der Schule. Von Thadden wird kritisch beobachtet. Schon 1934 war sie der Bekennenden Kirche beigetreten. Trotz der kritischen Distanz zum Hitlerreich ist sie pflichtbewusst, will den Menschen dienen.

Hausdurchsuchungen und Verhöre
1939 muss die Schule umziehen. Wieblingen liegt zu nah an Erzfeind Frankreich. Im Hotel Simson in Tutzing in Bayern findet sie eine neue Heimat. Unter von Thaddens Schülerinnen ist die Tochter der NS-Frauenschaftsleiterin. Diese ist es, die ihre Schulleiterin schon bald denunziert. Der Grund: Bei der Feier des militärischen Sieges im Polenfeldzug wurde ein Psalm gesprochen – ein jüdisches Gebet also.

Und im Englischunterricht war das Lied „Rule Britannia“ gesungen worden.
Hausdurchsuchungen und etliche Verhöre sind die Folge. 1941 kehrt die Schule nach Heidelberg zurück. Doch schon bald wird sie verstaatlicht. Elisabeth von Thadden ist arbeitslos. In Berlin lernt sie einige Kritiker des Dritten Reichs kennen. Sie engagiert sich beim Roten Kreuz, unterstützt Untergetauchte, hält Kontakte zu Exilanten. Gutgläubig, wie sie ist, ahnt sie nicht, dass die Gestapo einen Spitzel in ihrer Nähe eingeschleust hat. Der denunziert sie.

Festen Schrittes zur Hinrichtung
Anfang 1944 wird Elisabeth von Thadden verhaftet und kommt ins Frauen-KZ Ravensbrück. Am 1. Juli verurteilt sie der berüchtigte Volksgerichtshof wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung zum Tode. Am 8. September des gleichen Jahres wird sie in Berlin Plötzensee ermordet. Zu ihrer Hinrichtung soll sie festen Schrittes gegangen sein. Auf den Lippen eine Strophe aus dem Lied „Befiehl du deine Wege“ von Paul Gerhardt, in der es heißt: „Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not!“

Elisabeth von Thadden war nie eine Regimekritikerin wie die Widerständler vom 20. Juli. Ihre Kritik war eher verhalten. Angetrieben von ihrem Glauben wollte sie nur helfen, wo Hilfe nötig war, wollte in schwieriger Zeit eine barmherzige Samariterin sein. Doch selbst das war den Nationalsozialisten zu viel.

Das von ihr gegründete Evangelische Landerziehungsheim in Heidelberg-Wieblingen trägt noch heute ihren Namen.

Wikipediaeintrag zu Elisabeth von Thadden